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Schule.
gelernt habe," oder aus welchem Grunde sonst. Uebrigens sagt
er, war Tizianüs Styl in Frauen und Kindern stets zierlich,
schulgerecht und edel; seine männlichen Formen zumeist gross,
gelehrt, meisterlich; als Probe des Nackten führt er die histo-
rischen Bilder in der Sacristei della Salute an 27), wo auch die
schöne Zeichnung der Extremitäten herrscht und nur noch
durch die grosse Kenntnis der Perspective gewinnt, die damit
verbunden ist, Hätte der Gesehichtschreiber auch Tizian's
Werke im Auslande betrachten wollen, so hätte er vieles über
seine Baechanale und Veneres beibringen können, deren eine in
der K. Gallerie zu Florenz sehr sinnreich eine Nebenbuhlcrin
der medieeischen genannt wurde, dieser Vollendung des grie-
chischen Meisels m). Die Meisterschaft in der Bekleidung be-
legt Z anetti mit dem heil. Petrus am Altare des Hauses Pe-
saro mit einem höchst kunstreichen Mantel, und bemerkt dabei,
dass er zuweilen die Bekleidung absichtlich vernachlässigt habe,
um irgend einen nahen Gegenstand desto mehr hervorzuheben.
Bei dieser Verschiedenheit der Ansichten wahrer Kenner wage
ich nicht, mit meinem Urtheile einzuschreiten. Nur dies will
ich zum Lobe dieses herrlichen Geistes bemerken, dass, wenn
ihn bessere Verhältnisse zu wissenschaftlich ergründeter Zeich-
nung geführt hätten, er vielleicht der grösste Maler der Welt
gewesen wäre. Sicherlich hiitte man dann seine Zeichnung
eben so allgemein für vollendet anerkannt, wie jetzt sein noch
von Keinem erreichtes Colorit 29).
27) Die Gemälde des Tizian, von welchen Zanetti spricht
befanden sich in S. Maria della Salute. Aus Tizian frührel. zei;
soll eine Tafel seyn, auf welcher S, Marcn, S, Sebasgiano, S Raum)
S Cosma und S. Damiano vorgestellt sind; S. lllarco sitzt hülle;-
und unter ihm die angeführten Heiligen.
An der Decke dieser Capelle sind folgende Geschichten: der Tod
Abels, das Opfer Abraham, und der Sieg Davids über den Riegen, 5
Della pittura Veneziana p. 105 u, 106. Q_ '
28) Venus von B. Strange gestochen. Q,
29) Das Verkennen des vortrefflichen naturgemässen Styls in der
Zeichnung des Tizian kommt von dem falschen Ideal der Mengi.
sehen Schule her. Das Naturgemässe ist mit den reinen Urbildern
der Dinge in un (den Idealen) übereinstimmend. Niltllfgemägg ist
aber nicht das Ausgeartete, Verkrüppelte, wie uns so häufig-bin kann",
der Entwicklung organischer Körper nachtheiligen Klimalen Natur-
producte vorkommen, uondern das ohne Hindernis und Störung