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Oberitalien.
Venediger
Schule.
mehr an Tizian, von welchem er, nach Ridolfi, eine. ge-
wisse Siissigkeit angenommen haben soll, die den ersten Wer-
ken jenes grossen Meisters eigen war. So ist das Abendmahl
in S. Maria Mater Domini, und U. L. F. in S. Stefano zu Vi-
cenza mit uniibertreiilicher Lieblichkeit gemalt und wird für
eines seiner besten Werke gehalten. Viele Beispiele beider Style
bietet die grosse Gemäldesammlung Carrara im Werke des
Gr. Tassi S. 93. Nach Zanetti endlich entwickelt er in
andern ein grösseres Talent urkräftiger Eigenthiimlichkeit, wie
in der Erscheinung U. H. auf der Insel S. Helene, worin man
einen Naturalisten sieht, der wohl wählt, mit Bedacht und Fleiss
bekleidet und nach guten Regeln zusammenstellt. Sein Haupt-
zug ist Fleiss, Ausarbeitung, Einheit der Tinten, so dass man
zuweilen keinen Pinselstrich gewahrt; und einer seiner Lebens-
beschreiber behauptet, er habe lange über jedem Bilde gearbei-
tet, und immer wieder und wieder es übergangen. Im F arben-
auftrag und andern Dingen nähert er sich Lotto, und ist er
nicht so seelenvoll und erhaben, als dieser, so ist er vielleicht,
im Allgemeinen zu sprechen, in Frauen- und Knabenköpfen
schöner. Manche meinen, er habe in einigen Gesichtern seine
Tochter Violante zum Vorbild gehabt, welche Tizian sehr lieb
hatte; ein Bildnis derselben von Vaters, Hand befand sich in
der Sammlung eines florenzer Edeln, Sera, der in Venedig viele
Seltcnheiten für das Haus der Medici und für sich zusammen-
kaufte (Boschini p. 368) 9). ln ganz Italien sind eine Menge
von Zimmcrgemälden zerstreut, die Palma beigelegt werden;
9) Ein anderes Bildnis der Violante belindet sich in München, von
P. Bordone; das gleiche Bild, sehr entzückend, befand sich im Be-
silz de Herrn Steinermann in Wien, wo es an einen Kuustliebha-
ber, dessen Namen wir vergessen, verkauft wurde. W. Hollar hat,
nach einer Zeichnung wahrscheinlich, das Bildnis der Violante gesto-
chen, Sie hebt einen Fruchtkorb empor. Vorlreflliches Blatt! In
einem Bacehanale, welches Tizian für Alfonso l., Herzog von Fer-
rare, malte, stellte er seine geliebte Violante unter die ehönen Mäd-
chen, welche den Zug des heitern Gottes begleiten, schmückte sie,
auf ihren Namen anspielend, mit Violen und schrieb mit zarter
SchriftlTizian hinein. S, Le iWaravisvl-ie delParte, descrilte da!
Cav. Carlo Ridolfi. Przrle I. p. 142. Ist es nicht entzückend, dass
eine Solche Schönheit einen Tiz ian und Ti z ian eine Vinlante fand?!
denn wie oft verblüht das Schöne unbemerkt und ohne seine; U3-
aeyns in vollem Maase, in dem Entzücken eines Andern, sich zu
erfreun i Q.