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Oberilalien.
Venediger
Schule.
der (Scuola de, Surtz), oder in der des heil. lllarcu der von
dem Heil. besprochene Sturm, wo unter andern drei durch Zeich-
nung und Gebärden höchst schätzbare nackte Ruderer sind.
Mailand hat zwei ablange und hier mehrere Figuren über Pou-
ginis Maas, die man wol eher derb, als leicht aufgebaut nen-
nen möchte. Das erste ist in der Ambrosiana, das zweite im
erzbischöllichen Palast, und wird von Einigen für den besten
Giorgione gehalten, den es giebt. Es stellt den kleinen aus
dem Nil gezogenen und der Tochter des Pharao übergebenen
Moses dar. Wenig, aber gut angeordnete, verträgliche und
gut durch Schatten gebrochene Farben machen, so zu sagen,
einen streng ernsten und einem Musikstück ähnlichen Eindruck,
das mit wenigen, aber meisterlich verbundenen Tönen vor dem
rausehendsten Concert ergetzt 4).
Giorgionc starb il5ll im 34816" Jahre. Mehr seine Ar-
beiten, als seine Schüler blieben den Venedigern zur Belehrung.
Vasari deutet einige Schüler an, welche aber Andere bestrit-
ten habcn. Ridolfi erwähnt einen Pietro Luzzo aus Fel-
tre, Zarato oder Zarotto genannt, der aus Giorg0ne's
Schüler sein Nebcnbuhler geworden und ihm eine übermässig
geliebte Frau entführte, über deren Verlust, wie Einige erzähl-
ten, er vor Schmerz starb, wiewol Andere ihn an einer Krank-
4) Die Gnllerie Manfrin (nicht Manfrini) in Venedig enthält meh-
rere geistreiche Gemälde des Giorgione, welche man pnetisch ro-
mantische Bilder nennen möchte, weil sie weder aus der Geschichte,
noch aus der Fabel entlehnt sind, sondern der Künstler die Rege-
benheiten selbst erdichtete, Auch stehen sie höher, als Genrebilder,
weil sich in ihnen ein hewegteres inneres Leben ausspricht, als in
jenen. S0 z. B. erblickt man in dem einen Bilde, welches drei Ve-
nedigerinnen vorstellt, drei verschiedene Temperamente. Ein zwei-
tes, wo ein edler Venediger, von seinem Pagen begleitet, mit einem
schönen Mädchen pricht, liit auf ein folgenreiches Verhältniss
schliessen. Ein drittes Bild ist sehr unterhaltend, wo ein alter
Türke an einemTische sitzt, wie es scheint, mit seinen Handels-
angelegenheiten beschäftigt. Hinter ihm sitzt ein entzückend schönes
Weib in weissem Gewande, vor welcher ein schöner nackter Knabe
liegt und ein Franke schleicht sich unbemerkt herbei.
Ich selbst besitze ein schönes Bild dieser Art von Giorgione.
In den Schatten eines Waldes ruht eine Dame an einem See und
singt begeistert zu den Tönen der Laute, die sie spielt. Von Gefühl
und Rührung hingerissen scheint sie in Geängen Geheimnisse ihres
Herzens zu verrathen, über welche ihre Frauen, die sie begleiten,
überrascht erstaunen, GiorgoneUs seelenvollstes Bild ist viel-
leicht das in der Gnllerie zu Dresden: Jacob und Rubel. Q.