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Obex-itnlien.
Venediger
Schule.
digern höch schwierig ist; so verbunden und einstimmig ist je-
der Theil mit dem andern und mit dem Ganzen.
Diese. und andere ähnliche Eigenschaften nun, welche dem
Auge schmeicheln, Gelehrte und Ungelehrte fesseln, den Sinn
durch Neuheit und Deutlichkeit der Darstellung entzücken, bil-
den einen Styl, den Reynolds den zierlichen, edel: präch-
tigen nennt, worin er den Venedigern vor allen imiischen
Schulen den Preis giebt, welcher nachher nach ihrem Muster
von Vouet in Frankreich, von Rubens in Flandern, von
Gierdano in Neapel und Spanien eingeführt wurde. Dieser
enigiische Kunstrichter weiset ihm die zweite Stelle nach dem
grcssen Styl an", und bemerkt, die, welche dem erhabenen sich
geweiht, hätten den Aufivandhnd die Pracht in Beiwerken
g-leichsam gefürchtet, theils weil darüber leicht Zeichnung und
Azasdrnck vernachlässigt wurde, theils weil der gefällige Ein-
druck auf den Bcschauer doch nur vorübergehend sei und nicht
venv, Auge in das Herz dringe. Und allerdings, wie Cicero's
Ei-hahenheit einfacher ist, als der Schmuck des Plinius, wie
er gleichsam fürchtet, man möge zu oft ausrufen: Wüe schön!
damit seine nachhaltige Kraft nicht durch allzu gesuchte Zier-
liehheit entnervt werde, so ist es auch der Fall mit Michel-
angelcis und RaffaeFs Grossheit; ohne durch das G6-
schaieichel der Kunst sehr zu zerstreuen, dringt es zu Herzen,
scixreciit, entzündet, erregt Mitleid Verehrung, Liebe, erhebt;
uns gcväissermassen über uns selbst und weckt gleichsam widm-
unsern {Villen das wonnigste Gefühl, nämlich die Verwuniler-
nhg, Reynolds fügt hinzu, es sei daher für Jünglinge ge..
führliciz, dem venedigcl" Style sich hinzugeben; eine Warnung,
die, gehörig verstanden, wohl für diejenigen iVerth hat, die von
Natur zum grossen Style geschaffen sind! Da jedoch, bei dei-
so gressen Ungleichheit der Gaben, Viele mehr für Pracht, als
Aursdruck geeignet sind, so treibe man sie nur nicht in eine
Beim, wo sie stets die Letzten bleiben werden, und reisse sie
aus einer, Wo sie die Ersten eyn würden; sondern wer in die-
ser stummen Beredsamkeit nicht Demosthenischen Geist und
Kreit hat, der lege sich immerhin auf des Demetrius Pha-
lereus Zierlichkcit, Pracht und Fülle! _
ileherhaupt glaube man darum nicht, das ganze Verdienst
der Vencdiger bestehe bloss in überraschenden Tinten und Ver-