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Oberitalien.
Venediger
Schule.
Aus Brescia kennt man in dieser Zeit zwei tüchtige Ma-
lexywelche die Niederlage und Plünderung dieser wohlhabenden
Stadt durch Gaston von Foix 1512 erlebten. Der eine ist
Fioravante Fcrramola, der bei dieser Gelegenheit vom
französischen Sieger seiner Tüchtigkeit wegen, die noch in
mehrern Kirchen seiner Vaterstadt sich bewährt, geehrt und
lbelohnt wurde. Ein heil, Hieronymus ist alle Grazie, ein
wohl ersonnenes Bild mit schöner Landschaft, gleichsam ein Vor-
sehmack von Muziano. Man möchte ihn dessen Vorbild,
wenn nicht Meister nennen... Der Zweite ist P3010 Zoppo,
der jenes Unglück der Stadt auf ein Krystallbecken lange und
mühselig malte, um dem Doge Gritti ein Geschenk damit zu
machen; als er es aber nach Venedig brachte, zerbrach un-
glücklicherweise das Gefäss und der Maler starb aus Herzleid
darüber. Proben seines Styls, die noch in Brescia sind, unter
andern ein Christus, der nach der Sehedelstätte lgeht, zu S. Pie-
tro in Oliveto (von Andern fälschlich nach F oppa verlegt) zei-
gen, dass er sich der modernen Malerei sehr näherte und die
BelliniWvohl kannte. '
Endlich hatte Bergamo in Andrea Previtali einen der
treiilichsten Schüler Gian Bellini's. Er scheint weniger
belebt, als der Meister und in den Extremitäten minder schul-
gereeht; auch habe ich nichts von ihm gesehen, das nicht al-
ten Geschmack verriethe, entweder in Stellung der Figuren,
oder kleinlicher Verzierung der Beivaerke. Dessungeachtet scheint
er in einigen, vielleicht piitern, Bildern, wie Johannes dem
'l'äufer zu S. Spirito, dem heil. Benediet im Dom zu Ber-
gamo, und in mehrern Bildern der earrarisehen Gallerie, dem
neuen Style sehr nahe, und ist unbestreitbar einer der ausge-
zeichnetsten Prospectixraler und Coloristen der Bellinisehen
Schule. Sehr geschätzt sind seine Madonnen, in deren Gesicht
er aber" weniger Gian Bellini, als Raffael oder Vinci
zu folgen söheint. In Mailand habe ich zwei unter seinem
Namen gesehen, eine beim Ritter Melzi, die andere beim Erz-
priester Rosales vonil522; beide sind mit andern Heiligen um-
geben, die Köpfe auch hier gewählt und wahr. Eine Verkün-
digung U. H. durch einen Engel in Ceneda ist ein so köstli-
ches Werk in diesen beiden Köpfen, dass Tizian, wenn er
dort vorüberkam, von Zeit zu Zeit es mit Entzücken wiedersah,