IV. Zeitr.
Kunstverfall
nach Daniel Crespi.
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nung mehr als jemals vernachlässigt wurde, und dem Handwerk-
mässigen das verständige und gebildete Malen wich. Durch die
Pest waren die Künstler seltener geworden; nach Card.Borromeo's
Tode, also nach 1631, wurden sie auch minder einträchtig",
die von ihm gestiftete Akademie blieb also zwanzig Jahre ver-
schlossen, und wurde sie auch nachher von Antonio Busca
wieder eröffnet, so trug sie doch keine der ersten gleicharti-
gen Früchte. War es nun die Lehrart, oder der Mangel eines
Beschützers, oder die Menge der Bestellungen und die Güte
der Bestehenden, welche die jungen Leute befeuertc, ihre Fehl-
geburten vior der Zeit zu Tage zu bringen, keine an guten
Meistern so verwaiste Schule hat wol so viel mittelmässige und
schlechte hervorgebracht. lch will mich nicht lange bei ihnen
aufhalten, sondern nur die nicht übergehen, welche noch einie
germassen in Achtung stehen. Im Allgemeinen bemerke ich,
dass die Maler dieses Zeitraums, wiewol aus mehrern Schulen
hervorgegangen, einander doch so ähnlich sind, als ob sie
einem Meister angehürten. Sie entwickeln keinen augenfiilligen
Charakter, keine Schönheit der Verhältnisse, keine Lebhaftig-
keit der Gesichter, keine Anmuth des Colorits. Alles scheint
zu ermatten; selbst die Nachahmung der Schulenhiiupter gefällt
nicht an ihnen, weil sie entweder selten, oder übertrieben ist,
oder ins Kleinliche ausartet. In der Farbenwahl bemerkt man
etwas der bologner Schule Aehnliches, welches ihren Führern
nicht fremd war; oft aber iindet man auch jenes Finstere", was
damals fast in allen Schulen gäng und gäbe war.
Zu dieser Einförmigkeit des Styls mag wol Erc ole Pro-
caccini der jüngere viel beigetragen haben, in welchem jeder
Uneingenommene den eben beschriebenen Charakter oft finden
wird, wenn er auch in fleissigen Werken, wie der Himmelfahrt
Marions in S. M. Maggiore zu Bcrgamo, Grossheit, Geist,
Nachahmung des Coreggio zeigt. Er ward in der Malerei
erst von seinem Vater Carlantonio, dann von seines Va-
ters Bruder Giulio Cesare unterrichtet. Man weiss, dass
er durch Musik, feines Betragen und Ruhm seines Stammes
sich den Weg zu einer Achtung bahnte, welche wol sein Ver-
dienst übertraf, und dass er 80 Jahre ungefähr lebte. Daher
konnte er Viele für sich gewinnen, um so mehr, da er in'
seiner Wohnung eine offene Akademie des Nackten hielt und