II. Zeitr.
stiftet eine Zeichnenschule in Mai].
Vinci
419
liche, wo sie der Gegenstand forderte 14). So war in Mailand
alle Grazie das Leiden Christi, wo Tizian sein Mitwerber
war; und der Sturz Pauli bei den Conventualen in Vercelli;
ein Bild, das von allen, die ich gesehen, dem des Michel-
angelo in der Paulscapelle am nächsten kommt. In den übrigen
Gemälden gefällt er sich auch sehr in schwierigen Verkürzungen
und bringt sie beständig an. Kommt er nun auch an Anmuth
und Schönheit Raffael nicht gleich, so hat er darum doch
Manches in diesem Charakter, wie in Vercelli zu S. Cristoforo,
wo er, ausser dem Bilde des Kirchenheiligen, an den Wänden
mehrere Erlebnisse Christi und einige der Maria lllagdalena
darstellte. ln diesem grossen YVerke hat er sich mehr als in
einem andern als lieblichen Maler gezeigt; es hat herrliche
Köpfe und in Formen so heitere, als in Handlung muntere
Engel. Ich habe dies als sein bestes Bild rühmen hören;
Lomazzo indess und der Verfasser der Guida behaupten, die
Bahn, die Gaudenzio im Grabmahl zu Varallo eingeschlagen,
sei die beste von allen gewesen. s
Betrachten wir nun andere Einzelheiten seines Styls, so
ist Ferrari ein gegen alle mailändische Art so lebhafter und
heiterer Colorist, dass man in einer Kirche, wo er gemalt hat,
gar nicht lange nach seinen Arbeiten zu suchen braucht, sie
bieten sich sogleich dem Auge des Beschauers und laden ihn
ein; die Fleischfarbe ist wahr und nach den Gegenständen
verschiedenß), die Kleider sind phantastisch und neu erson-
nen, wechselnd wie die Kunst in ihren Zeuchen, kunstreich
die Schiller-Farben, dass man sie nicht angenehmer finden kann.
Die Gemüther, wenn man so sagen darf, malte er noch bes-
ser, als die Körper. Hierin ist er ganz besonders fleissig
und sorgsam; in wenig andern Bildern sieht man so entschie-
dene Gebärdungen, so sprechende Gesichter 26). Wo er zu
den Figuren noch Landschaft oder Bauwerke fügt, sind mei-
stens Felsen und Steine dabei so seltsam und launenhnft ge-
staltgt, dass sie schon durch die Neuheit ergetzen, und die
24) Ist das Grossheit und FTömmigkeit, oder nur Manierlx Q.
25) Das Colorit ist nicht sowol warm, als gekochtenn Fleische
ähnlich; unangenehm roth und übertrieben. Q,
26) Will sagen: Uebertreibung und Manier. Q.
Dd