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Vinci stiftet eine Zeichnenschule in Mail.
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und blühende Zeit dieser Schule ausmachen. Diese sind nicht
gleich bekannt, und oft werden in Gallerien Bilder aus der
Vinci'schen Schule vorgezeigt, ohne bestimmte Namenangabe.
Ihre Altarbilder treten selten aus dem damals gewöhnlichen
Kreise von Darstellungen heraus, einer Madonna mit dem
Kinde auf einem Thron von einigen zumeist stehenden Heiligen
umgeben und einigen Engeln auf den Stufen. Doch verbanden
die Vinci'sten, wenn ich nicht irre, zuerst die Figuren zu
einer Einheit der Handlung, so dass sie unter einander zu spre-
chen und zu verkehren schienen. Auch in allem Uebrigen ha-
ben sie einen fast einförmigen Geschmack, dieselben Gesichter,
etwas eirund, lächelnden Mund, bestimmte, zuweilen trockene
Umrissen dieselben gewählten gemässigten und wohl verbun-
denen Farben, dasselbe Studium des Helldunkels, von minder
Geschickten bis zum Düstern getrieben, von Bessern mässig
gebraucht.
Am nächsten kam in einer gewissen Zeit seinem Style
Cesar da Sesto, auch Cesare Milanese genannt, den
weder Vasari, noch Lomazzo, wol aber die Neuem, unter
seinen Schülern erwähnen. Von ihm ist in der ambrosischen
Bibliothek ein alter so ganz Lionardisch fleissiger und abge-
stufter Kopf, dass es zu verwundern ist. In einigen andern
Werken neigt er sich sehr zu Raffael, den er in Rom ken-
nen lernte; ja, nach einer Sage soll dieser Fürst der Malerei
eines Tages zu ihm gesagt haben: es ist doch sonderbar, dass
wir als so gute Freunde doch hinsichtlich der Malerei so gar
keine Rücksicht auf einander nehmen; als wetteiferte er mit
Ccsare und dieser mit ihm"). Auch Baldassar Peruzzi
edel und gefasst, ernst und kräftig, zeigt er sich im Glück, in be-
denklichen Lagen und dem Sturme der Zeiten, wie in Lösung grus-
ser und schwerer Kunstaufgaben. w- Ein hoher Geist sprach in
unsern Tagen die gewichtigen Worte:
Es bildet ein Talent sich in der Stille, '
Und ein Charakter im Geräusch der Welt.
Doch das Schicksal sorgte für beides, um die Aufgabe durch Leu-
nardo zu lösen, wie ein Mensch nach innen und aussen sich
vollständig entwickle.
12) Man muss sich mehr darüber wundern, wie Lz. RaffaePs
Aeusserung so ganz misverstehen konnte, als über die Aeusserung
selbst. Allein so werden edle Gemüther immer von der Menge misr
verstanden, 11m, der bei Künstlerin nur an den elenden Wetteifer
denken konnte, begriff nicht den innern Zusammenhang von Freund-