Volltext: Geschichte der Malerei in Italien vom Wiederaufleben der Kunst bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Zweiter Band)

II. Zeitr. 
Vinci stiftet eine Zeichnenschule in Mail. 
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werden konnte, wie man aus Vasari weiss. Und ihm ist wol 
eher, als einem Andern zu glauben, theils weil er um diese 
Zeit lebte, theils weil er nicht leicht ein Werk übergangen 
haben würde, welches Lionardws Ruhm dem des Lysip- 
p us gleichgestellt hätte"). 
lt 
11) {Es sollte zu einem Reiterbilde des Francesco Sforza, 
Lodovicois Vater, dienen. Sabba da Castiglione in einen 
Ricorrli Num. 109. erzählt, er habe dies in der Kunstgeschichte so 
berühmte geistreiche Modell,  woran Vinci sechzehn Jahre gearbei- 
tet, im Jahr 1499 als Ziel für die gascogner Bogenschützen Ludwig 
XIL, als er Mailand eingenommen, gesehen. L.  Leonardo 
ist eine der ausserordentlichsten Erscheinungen der Menschheit, und 
bei Lz's. Charakterisirung dieses Mannes als Künstler fühlt man recht 
deutlich, wie ungenügend eine solche einseitige Schilderung ist, und 
dass der Mensch als ein Ganzes aufgefasst werden muss. Aber auch 
das reicht bei einem solchen Geiste nicht aus, um ihn zu fassen; 
denn er steht empfangend und einwirkend mit Vorzeit, Gegenwart 
und Nachwelt in Zusammenhang.  Es scheint, als habe die Natur 
einmal die Aufgabe lösen wollen, vollständig und glücklich ein Ge- 
schöpf aus sich zu entwickeln. L eon ard o, dieses Kind der Liebe, 
gepflegt von einem glücklichen Vater, in heitern Verhältnissen erzo- 
gen  in die Wissenschaften wie ins Leben eingeführt und für bei- 
des, durch einen eben so tiefsinnigen Geist, als auch frohes Gemüth", 
empfänglich, wächst zum schönen Jüngling in dem glücklichen Ar- 
nothale heran.  Er freut sich des Lebens und wo er wandelt, 
soll sich Freude verbreiten; ja, die eingekerkerten Vögel kann er 
nicht einmal dulden, er erkauft ihre Freiheit und läst sie fliegen, wenn 
er über den Markt geht. Nichts it in,Natur, noch Wissenschaft, 
was ihn nicht berührte  Mathematik, Musik, Malerei, Plastik, Bau- 
kunst, Dichtkunst, alle Mittel werden von ihm angewendet, die Stoffe, 
welche von der Aussenwelt auf ihn einströmen, festzuhalten, zu bil- 
den, zu verarbeiten. Er geniesst und beobachtet, lernt unablässig, 
und Alles, was er wahrnimmt oder erfährt, wird zum Resultat in sei- 
nem Geiste.  Nichts bleibt von ihm unerprobt, und vor allem ist 
der Mensch Gegenstand seiner Betrachtung und Darstellung. Er 
stürzt sich ins Volksgewühl, lebt mit dem Fürsten als Freund, ja er 
steigt mit dem Verbrecher aufs Hochgericht, um den Menschen in al- 
len Graden der Höhe des Glückes und der Tiefe des Jammers ken- 
nen zu lernen. - Man sehe nur die Zahl von Studien nach häs- 
lichen und schönen, sanften und wilden Gesichtern, welche l-Iollar 
nach ihm gestochen hat, und man wird schon erstaunen über diese 
Ausdauer eine Mannes.  Allesdics war aber nur Vorbereitung 
zu grossen Werken, über welchen sein Geist brütete, und selbst 
das Vollendetste, was seine Hand hervorbrachte, scheint immer nur 
Vnyübung zu noch Vollkommnerem, nur Hinstreben nach noch höhrem 
Ziele zu seyn, und dies lag oft ausser den Gränzen des Ausführbaren. 
Daher kommt es, dass sich die Meinungen über die Ausführung sei- 
ner Werke so sehr widersprechen. Er selbst hielt, wie Die, welche 
ahnen, was er wollte, seine Werke nur für Anlagen, die für solche 
 B nssi möchte zwar gern uns glauben lassen, dass Le o nardoH: 
Jugend nicht durch äusxsere Glücksumstände begünstigt wurde, 
ganz andern Schriftstellern widersprechend.  
Cc
	        
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