lI. Zeitr.
Vinci stiftet eine Zeichnenschule in Mail.
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wodurch das Ganze Leben bekommt, nämlich den, wo der Er-
löser zui den Jüngcrn liebreich sagt; Einer unter euch wird
mich verrathen. Jeder der Schuldlosen führt bei diesen Wor-
ten wic vor einem Wetterschlag zusammen; wer ferner sitzend
mishört zu haben glaubt, fragt den Nachbar; die übrigen sind
je nach ihrer Art und Wesen verschiedentlich bewegt; der
wird ohnmiichtigs), jener bleibt angedonnert, einer erhebt
sich iu Wuth, ein anderer betheuert mit schlichter Aufrichtig-
keit, ihn treffe kein Verdacht. Judas aber bleibt unbewegt im
Gesicht, und lässt, trotz aller gcheuchelten Unschuld, nicht in
Zweifel, dass er der Vcrrüther sei. Vinci erzählte,ner habe
ein Jahr darüber nachgedacht, wie er wol eine so schwarze
Seele im Gesicht ausdrücken möchte, und nach häufigem Be-
such einer Gegend, wo die verworfensten Menschen sich zu-
sammenfanden, habe er endlich ein zweckdienliches Gesicht
abgemalt, jedoch auch noch Ziige mehrerer anderer hinzuge-
fügt. Eben so sorglich suchte er in den beiden Jakoben schöne,
charakteristische Formen darzustellen, und weil er Christus
nicht ausdrucksvoller, als sie, malen konnte, liess er seinen
Kopf unvollendet, wie Vasari sagt; und dennoch schien auch
dieser dem Armenini höchst vollendet. Das Uebrige im Ge-
mälde, das Tischtuch mit seinen Falten, das Gerüth, derTisch,
das Bauwerk, die Vertheilung der Lichter, die Deckeufernung,
welche auf dem Petersteppich 7) zu Rom wie in einen Schwe-
begarten verwandelt ist, alles war mit gRIIZVVOIZÜgliChBIII Fleisse
behandelt, des feinsten Pinsels würdig. Hätte Lionardo,
wie es damals Brauch war, mit Leimfarben gemalt, noch heute
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6) Ohnmächtig wird keiner. Q.
7) Es ist dies Keine von den Tapeten, welche zu Ausschmiickung
der Peterskirche bei hohen Festen diente. S. Del Cenacolo di Leg-
narrlß da Vinci Libri Qualtro di Giuseppe Bossi Pittore.
Miluno MDCCCX. Pag 142. Diesen Teppich soll Franz I. von Frank-
reich haben wirken lassen, und der König machte dem Papst Cle-
mens ein Geschenk damit. Nach S. Germ an o's Copie des Abendmahls
sollen die YVeber gearbeitet haben. Ueber diese Copie. Bossi
p. 139. Wahrscheinlich ist; dieser Teppich jetzt ganz untergegangen,
da, er chßn früher sehr verdorben war. Die Abweichungen vom
Original, welche in dem Teppiche vorkommen, sind wol Freiheiten,
welche sich die Weber nahmen; denn Germalufs Copie war gewiss
so treu als möglich, weil das Original dadurch ersetzt werden sollte,
welches nicht fortgeschafft werden konnte. Q.
n. Bd. Cc