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Oberitalien.
Venediger
Schule.
gestorbenen Erlöser darstellen, lindet man am häufigsten von
ihm. Wem mein Lob etwa nicht genügen sollte und wer etwa
wünschte, Gio. Bellini noch über Raffael gestellt zu se-
hen, weil er in Bautenmalerei tüchtiger war, als dieser, lese
Boschinfs Curta du navegare 1). 28; bedenke aber dabei,
dass dieser Schriftsteller vom Dichter nichts weiter hat, als
das Versmaas und übertriebenes Lob.
Von Giovanni darf sein Bruder Gentxile nicht ge-
trennt werden, der früher als er geboren ward und starb.
Beide lebten als Familie getrennt, aber im Herzen innigst ver-
bunden, liebten und lobten einander als Freunde und verehrten
Einer den Andern, als den Grössern; was in Giovanni Be-
scheidenheit, in Gentile Wahrheit war. Dieser war von Na-
lillf bßßcllrünktßr; aber sein Fleiss, der zuweilen Naturgaben
ersetzt, weiset ihm eine ehrenvolle Stelle unter seines Gleichen
an. Die Republik brauchte ihn, wie seinen Bruder, beim gros-
sen Rathsaale; und als der Grosssultan sie um einen vorzüg-
lichen Bildnismaler ersuchte, sendete sie ihn nach Constanti-
nopel, wo er durch seine Kunst den Venedigern Ehre machte.
Ausser seinen Malerarbeiten machte cr- auch noch für Maho-
met ll. eine grosse Denkmünze mit dem Bildnis des Kaisers
und drei Kronen auf der Kehrseite; ein seltenes Werk, wovon
Theodor Corer einen Abdruck haben soll. Wiewol er sei-
nem Bruder weit nachsteht, und in mehrern Werken gar zu
fest an der alten Härte haftet, hat er doch auch einige sehr
schöne Bilder geliefert, wie die Geschichten des heil. Kreuzes
in S. Giovanni, und die Predigt des heil. Marcus an seine
Schule; ein Bild, das neben einem Paris Bordo ne sich hält.
Man sieht einen treuen Nachbildner, der Alles, was er unter ei-
ner grossexrVolksmenge bemerkt, wiedergiebt. Die Gesichter
der Zuhörer, der Bau der Körper ist so verschieden, wie in
der Natur, auch die Misbilalungen nicht ausgenommen, worein
sie, ihren allgemeinen Gesetzen gemäss, verfallen muss, Kahl-
köpfe, Dickbäuche, Caricaturen; und was noch merkwürdiger
soll Im etwas machen, er wols woll tzalen. VmI sagen mir dy Iewt
alle, wy e; 50 ein frumer Man sey, daz Ich Im gloich günstig pin.
Er ist scr alt vnd ist noch der pest Im gamell. A. Dürers Briefe
8116 Vßnedig an Wilibald Pirkheimer 2 Bf. C. G. von Murr Journal
10. Theil. Q.