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Oberitalien.
Mailänßische
Schule.
ter Julius Il. die von Vasari so sehr gerühmten Bildnisse
gemalt, welche, bevor sie weggerissen werden sollten, damit
Rnffael auf dieser Stelle malen könnte, auf Ansuchen 'Gi0-
vio's , der sie in sein Museum aufnehmen wollte, copirt wur-
den. Sicher gehören Bramantinfs Bilder im Vatiean
nicht in die Zeiten Nikolaus V., wie ich erwiesen habe. Hier-
auf kehrte er nach Mailand zurück, wie wir von L0 mazzo
wissen; und aus dieser bessern Zeit scheint ein Ambrosius
und Michael mit U. L. F. zu seyn; ein auf venediger Art
colorirtcs Bild der Gallerie Melzi, wovon ein andermal die
Rede seyn wird. 'Auch in Si Francesco sind einige von ihm
gezeichnete und gemalte Bilder von einer Grossheit, die fast
über seiner Zeit steht. Sein auszeiehnendes Verdienst aber ist
die Perspective, deren Regeln Lomazzo aus Verehrung gegen
diesen grossen liiann in sein Werk aufgenommen hat. Er
führt auch als Beispiel einen todten Christus unter den Marien
an, an der Thür des S. Sepolcro, ein Werk, welches das Auge
täuscht, indem die Beine des Erlösers, von welchem Standorte
aus man sie auch betrachte, sich immer richtig nach dem
Auge des Beschauer wenden. Ich weiss, dass viele Andere
dies auch gethan; aber es ist ein verbrauchtes Sprüchwort,
dass ein Erster mehr gilt, als viele Zweite. Ein Werk dieses
grossen Perspectivmalers haben die Cisterzienser in ihrem Klo-
ster, Christi Höllenfahrt. Es hat wenig Figuren mit nicht
gar gewählter! Gesichtern, aber von wahrem und gediegcnem
Colorit, wphl aufgestellt, abgestuft, in schöne Gruppen abge-
theilt, mit einem schönen Zurückweichen der Pfeiler, irelche
den Ürt schmiickend abgrünzen, und von einem Zusammen-
klang, der jeden Besehaucr festhält. Sein Schüler war Ago-
stin da Milano, höchst kundig der perspeetiviscllen Ver-
kürzung, von dessen Hand in der Karnieliterkirche ein so
sehützbares Gemälde war, dass Lomazzo es mit der Kuppel
von Corcggio im Dom zu Parma. zum Muster aufstellt. In
Lomazzo's Verzeichnis wird er geradehin mit den Worten
angegeben: "Agostino di Bramantino, ein niailiinilischer
Maler, Schüler des Bramantino selbst." Ich weiss nicht,
wie dies Pagave entgehen und er jenen alten Agostino
Bramautino aufführen konnte, der von seiner Familie her
so hicss, nicht von seinem Meister, dessen Daseyn wir bloss