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Oberilalien.
Venediger
Schule.
tiva in der Vorrede Folgendes sagt: „Diese Maler haben gar
schöne Denkmale ihrer Kunst hinterlassen, in welchen nicht
bloss die Landschaften, Berge, Wälder, Gebäude vortrefflich ge-
zeichnet und entworfen sind, sondern auch die menschlichen
und andere thierische Körper mit Linien, die, Wie nach dem
Mittclpuncte des Auges hingezogen, höchst perspectivisch dar-
gestellt sind. Wie sie aber dabei verfahren, welche Vorschrift
ten sie dabei beobachtet, darüber hat, meines Wissens, Keiner
etwas Schriftliches vernehmen lassen."
Da diescrFortschi-itt im Style dem Gian Bellini mehr,
als einem andern Meister, zu verdanken ist, so will ich mit
ihm beginnen, und dann die Zeitgenossen und Zöglinge, die
ihm mehr oder weniger nahe kamen, durchgehen. Hoffentlich
wird es auch dem Leser nicht misfallen, wenn Giorgionws
und Tiziarfs Nachahmung gleichsam vor der Zeit erwähnt
wird; denn bei Malern tritt oft dasselbe ein, was bei Schrift-
stellern, die an der Grünze zweier Jahrhunderte lebten, dass
nämlich ihr Styl gewissermassen die Farbe zweier Zeitalter
hat. Gio. Bellini selbst beurkundet in seinen zahlreichen
NVei-ken, die vor 1464 beginnen und 1516 enden, einen stuf-
lichcn allmäligen Fortschritt, den auch seine Schule zugleich
that. Gleich mit seinen ersten Bildern a tenzpera strebt er
den Vaterländischen Styl grossartiger und edler zu halten.
Das Haus Corner, welches in den Zeiten der Königin von Cy-
pern diesen grossen Künstler sehr beschäftigte, hat mehrere
Bilder in seiner ersten Manier, und dann andere immer schö:
nerc, darunter einen heil. Franciscus in einem dichten Gebüsch,
welches die besten Landschafter wol beneiden könnten. Im
Jahre 1488, wo er das noch jezt in der Sacristei der Conven-
tualen aufbewahrte Bild malte, lobt Vasari schon nicht bloss
seine gute Behandlung, sondern auch schöne Zeichnung. Glück-
licher noch behandelte er andere Werke nach Giorgioneßs
Mustern. Er dachte sich die Figuren auf eine neue Art, gab
ihnen mehr Rundung, wärmere Tinten, ging natürlicher von
einer zur andern über; die nackten waren gewählter, die Be-
kleidung grossartiger, und hätte er eine vollendete Weichheit
und Zartheit der Umrisse gehabt, die er aber nie erreichte, so
könnte man ihn als vollendetes Muster des neuen Styls auf-
stellen. Peter von Perugia, Ghirlandaj o, Mantegna