lV. K. ILZeitr. Camillo Boccaccino. I1 Sojaro. Die Campi. 361
Schule auszeichnen. Neben den Uebrigen scheint Campi der
sehüchternste, aber der schulgerechteste; er ist nicht so gross
als Giulio, aber er hat mehr ldealsehönhcit, und" trifft das"
Herz mehr. Mehr als dem Giulio gleicht er dem Antonio
in den langen Verhältnissen, im Uebrigen gar nicht, so dass er
zuweilen gar an das Trockene zu streifen scheint, wie in Ma-
riä Himmelfahrt im Dom, um nur nicht in das Manierirte zu
verfallen.
Die Sigmundskirche giebt von diesem Künstler eine in
jeder Hinsicht grosse Idee. Man kann nichts Einfacheres,
nichts dem Geschmacke der bessern Zeit Gemässeres sehen, als
die heilige Cäcilia, welche Orgel spielt, neben ihr die heil.
Katharina stehend, über ihnen ein Chor von Engeln, welche
singend und spielend mit diesen unschuldigen Jungfrauen ein
Tonspiel im Paradiese aufzuführen scheinen. Dieses Gemälde
und die Verzierung mit Kindern zeigen seine Anmuth. Aber
auch seine Kraft ist dort an den in grossartigem Styl gemal-
ten Propheten zu sehen , wie wol er sie mehr würdig und ge-
bieterisch in Gesicht und Bewegung, als muskelreich und stark-
gliedrig darstellen zu wollen scheint. Vorzüglich aber zeichnet
er sich dort in der grossen Kuppel aus, welcher wenig [andere
in Italien verglichen, sehr Wenige vorgezogen werden können,
durch Fülle, Mannichfaltigkeit, Vertheilung, Grösse, Absm-
fung der Figuren, durch Harmonie und grosse Wirkung des
Ganzen. In diesem Empyreum, diesem grossen Volke von
Seligen des alten und neuen Bundes ist keine Figur, die man
nicht an ihren Sinnbildern erkannte, nicht vollkommen von
ihrem Gesichtspunkte aus sähe, wo alle in natürlichem Ver-
hältnis scheinen, da sie doch sechs Ellen hoch sind. Dies ist
eins der wenigen Werke, welche beweisen, dass ein grosser
Geist schnell und gut arbeiten könne; er lieferte es in sechs
Monaten, und um die Handlanger zu beschwichtigen, welche
die Kürze der Zeit wol besser, als das Verdienst der Arbeit
erwägen konnten, bezeugten ihm Sojaro und Giulio Cam-
pi, dass er ein lobenswerthes Werk geliefert. Bernardino
war jünger als sie und Boccaccino, und die Bürger freu-
ten sich, ihn bald mit dem Einen, bald mit dem Andern in
öffentlichen Arbeiten wetteifern zu sehen, damit ein ehrsamer
Wetteifer Alle wach hielte und keinen träumen liesse. Dessen