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Oberitalien.
Die cremoner Schule.
Bianconi scheint ihr nicht zu trauen, und es ist gar nicht
unwahrscheinlich, dass sie um einige Jahre später als das
Werk von einer andern Hand hinzugefügt ist.
Bernardino, vielleicht ein Verwandter der drei obigen
Campi, ist unter den Seinen, was Annibale unter den
Caracci. Anfangs von dem ältesten Campi unterrichtet,
ging er auf dieselbe Absicht ein, einen Styl zu bilden, der
von Vielen entlehnte; in k_urzer Zeit wetteiferte er mit dem
Meister und übertraf ihn, wie Viele meinen. Nach seines Vaters
Wahl hatte. er sich anfangs auf das Goldschmicdegeschiift ge-
legt; als er nachher zwei von Giulio Campi copirte Tep-
piche Raffaels sah, gab er sein Handwerk auf, ging in
Cremona zu Campi, nachher in Mantua zu Ippolito Costi
in die Schule, bekannte sich im neunzehnten Jahre zur Male-
rei und wurde darin in so früher Jugend Meister. In Mantua
hatte er Giulio Romano und seine Schule kennen gelernt;
ihre Arbeiten mögen ihn wol angeregt und für grosse Unter-
nehmungen begeistert haben, aber Raffael lag ihm immer
am Herzen, seine Gemälde, Zeichnungen, Stiche scheinen seine
Wonne gewesen zu sejn; Giulio und Andern eiferte er wol
nur nach, wo er seinem Raffael in ihnen zu begegnen
glaubte. Dort studirte er auch Tizians Cäsaren, deren
elf waren, und nachdem er sie copirt, setzte er den zwölften
in so gleichem Style hinzu, dass er nicht nachgeahmt, son-
dern ureigen schien. Auf Kosten eines seiner Gönner reiste
er auch nach Parma, Modena und Reggio, um Coreggiws
Styl kennen zu lernen; wie viel er dort lerntcikönnen seine
Gemälde in S. Gismondo hinlänglich darthun. Aus diesen und
andern Grundbestandtheilen nun bildete er sich einen der sel-
tensten Style, die man bei Nachahmern findet. Nie ist seine
Nachahmung so unbcwunden, wie zumeist bei andern; sondern,
so wie Sanazzar die besten lateinischen Dichter nachahmt;
ieder Vers ist nach ihnen colotirt, aber doch ganz sein eigen.
Unter diesen verschiedenen Mustern ist das geliebteste, das
was er am meisten betrachtet, wie Sincerus den Virgil,
Raffael; und wohl ihm, wenn er Rom und die Urbilder dieses
grossen Geistes dort gesehen hätte! Dafür half er sich nun
so gut er konnte und bildete sich einige Grundsätze von Ein-
falt und Natürlichkeit, welche ihn vor den Uebrigen seiner