357
lV.K. II. Zeitr. Camillo Boccaccinö. II Sojaro. Die Campi.
zu Mantua, im Pfingstfeste zu S. Gismondo in Creniona ist
ganz Giuli0's Rüstigkeit; aber mehr als irgendwo trat er
ihm nach in der Burg Soragno im Parmesisehen, wo er in
einem grossen Saale die Heldenthaten des Herkules malte,
welche man eine grosse Schule des Nackten nennen könnte.
In dem grossen Kirchenbilde zu S. Gismondo, wo unserer
sitzenden L. F. der Herzog von Mailand und seine Gemahlin
von ihren Schutzheiligen vorgestellt werden, und so auch in
dem der heil. Petrus und Marcellinus in ihrer Kirche, ist
Cam pi so Tizianisch, dass er von Vielen mit Tizian selbst
verwechselt werden ist. Dies war auch mit einem Auftritte
aus der Leidensgeschichte im Dom, Christus vor Pilati Rich-
terstuhl, der Fall, den man dem Pordenone zuschrieb, da
er doch ausgemacht von Giulio ist. Endlich ist in einer
heil. Familie zu S. Paolo in Mailand, besonders in dem Kinde,
welches einen heil. Priilaten, der es mit Wohlgefallen betrach-
tet, liebkoset, alle (He-natürliche Anniuth und alle die Kunst,
welche einen Nachahmer Coreggioes bezeichnen kann. Das
Bild ist allerliebst und wurde von dem berühmten Mantuaner
Giorgio Chigi in Kupfer in gross Folie gestochen.
Aber Giulio vernachlässigte über den grossen Malern
die Natur nicht, sondern rathfragte und wählte sie, Dies tha-
ten auch alle übrige von ihm geleiteten Campi. Man sieht
bei ihnen ausgewählte Frauenköpfe, besonders nach der Natur,
ja nach der heimatlichen Natur; denn sie sind auf eine Weise
gedacht und bewegen sich so, wie nicht leicht andere; oft
winden sie sich um Stirne und Haar ein Bändchen, wie man
damals in der Stadt pflegte und noch heute in manchem Dorfe
pflegt. Das Colorit dieser Köpfe kommt dem des'Paolo
Veronese nahe. Im Ganzen beobachten die Campi unge-
fähr die Farbenverthcilung, welche vor den Caracci in Ita-
lien gewöhnlich war; aber im Anlegen und Beleben haben sie
eine ihnen eigene Lieblichkeit, welche Scaramuccia ganz
ureigenthiimlich fand. In Colorit also und Köpfen kann man die
Campi nicht leicht von einander unterscheiden; leichter aber
in der Zeichnung. Giulio iibertrilii: die übrigen in Grossheit
und bestrebt sich, mehr Kenntnis des menschlichen Körpers, der
Lichter und Schatten zu bewähren: an Richtigkeit übertrifft er
die beiden Brüder, steht aber dem Bernardino nach.