IV. Kap.
Erster Zeitraum.
Die Alten.
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ihren Schulen sind, der beste Neuere unter den Alten, und
der beste Alte unter den Neuern. Ihm ward die Ehre, zwei
Jahre lang Garofalo zu unterrichten, bevor dieser im Jahre
1500 nach Rom ging. Von Boccaeeino sind am Fries des
Doms die Geburt U. L. F. und andere Scenen aus ihrem und
ihre göttlichen Sohnes Leben. Der Styl ist zum Theil eigen-
ithümlieh, zum Theil dem des Pietro Perugino ähnlich,
zu dessen Schüler Pascoli ihn macht; minder geordnet in
der Compositien, in den Gesichtern minder lieblich, im Hell-
dunkel minder stark, aber reicher in den Trachten, mannich-
faltiger in den Farben, munterer in Gebärden, und vielleicht
nicht minder harmonisch noch reizend in Landschaft und Bau-
werk. Misfüllig sind manche Figuren, die 'in das Rohe fallen,
weil sie mit Gewand überladen und nicht schlank genug sind;
ein Fehler, den die alten Bildhauer sorgfältig vermieden, wie
ich im 'dritten Capitcl bemerkte. Vasari sagt, er sei in
Rom gewesen; ich stimme ihm darin bei, theils Weil auch
Antonio Campi es anzudeuten scheint, theils weil ich in
ihm augensehcinliche Spuren der Nachahmung Pietro's finde,
wie in der Vermählung der Jungfrau Maria und in einem
prächtigen, auf hohen Stufen aufgebauten Tempel, den Pie-
tro mchrmal wiederholte. Man hat auch bemerkt, dass seine
Madonna in S. Vincenzo, nebst dem Kirchenhciligen und An-
mniug, Vanuccfs Arbeit scheinen; und in der That nä-
hert er sich ihm auch in andern Bildern. Jedoch glaube ich
zwar, dass Boccaccino Rom besucht habe, zugleich aber
auch, dass, was bei Vasari und Baldinucci von ihm ge-
sagt wird, wenn nicht erdichtet, doch sehr entstellt ist.
Gehen wir es kurz durch! Sie sagen, er habe Michel-
angelws Werke herabzusetzen gesucht und wel er durch
seine Malerei in der Kirche zu Santa Maria Traspontina sich
den Spott und das Geziseh der Künstler zugezogen, habe er,
um nicht von allen Seiten her niedergemacht zu werden , nach
seinem Cremona zurückkehren müssen. Diese und ähnliche
Geschichtchen brachten die Lombarden in Wuth. Seannelli
also in seinem Jllicrncosmo, Lamo im Discorso su la pittura,
Campi in seiner Geschichte, erneuten die Klagen der übri-
gen Schulen über Vasari; Zaist führt sie S. 72 an und
fügt eine eigene Abhandlung hinzu, diese Erzählung Lügen zu