H. Zeilr.
III. Kap.
Coreggio und seine Jünger.
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Bisher nun habe ich Antonio AllegrPs und zugleich
Seiner Schule Styl geschildert, nicht als ob Einer ihm gleich-
gekommen, oder auch nur sich genähert, sondern weil Alle nn-
gefähr dieselben Grundsätze hegten, wiewol Einige sie auch mit
andern Stylen mischten. Der Grundzug der parmenser, vor-
zugsweise die lombardische genannten Schule ist die Verkür-
zung, wie der der florenzer der Ausdruck der Nerven und Mus-
keln 34); es Ibraucht übrigens nicht erwähnt zu werden, dass
auch diese Verkürzung von Einigen übertrieben und gesucht
worden ist, wie dort das Nackte35). 'Gut Nachahmen ist über-
all schwer. Zu den andern Zügen der Schule gehört auch das
Studium des Helldunkels und der Bekleidung mehr als des
menschlichen Körpers, in welchem wenige wahrhaft tüchtig sind.
Ihre Umrisse sind breit, die Gesichter nicht sowol ideal, als
mitten aus dem Volke gewählt, wo man denn allerdings wohl
geriindete und gefärbte, und oft so wohlgebildete und heitere
findet, wie sie Coreggio eigenthümlich sind 36). So bemerkte
3:1) Wie tief setzt Lanzi den Werth der lombardischen und flo-
rentiner Schule zu gemeinen Knnststücken herab , wenn der {Verth
der einen in Verkürzungen der andern aber im Hervorheben der Ner-
ven und Muskeln bestehn soll! Oder ist vielmehr dieser Standpunct
der Beurlheilung S0 niedrig, dass das höhere Geistige aus dem Ge-
sichtskreis verschwindet? Q.
35) Ein Meisterwerk in der Verkürzung ist die Antiope in dem
hiusee zu Paris. Verkiirzungcxi entstelleil in der Zeichnung gewölm-
lich die Formen; hier möchte man behaupten, dass sie die wollüstign
Wirkung des Anblicks dieser üppigen Glieder verstärken. Edel sind
freilich die Formen nicht, welche Coreggio wählt und eine gross-
artige Gestalt, wie die Danae des Tizian oder Eva des Michel-
angelo, wiirde in Verkürzung immer verlieren, Q.
36) Ehe wir uns zu Coreggiow Schülern und Nachahmern
wenden, sei es vergönnt, über die oft; verknnnten und wieder über-
sehätzten Verdienste des Meisters unsere Ansichten mitzutheilexi!
Ohne uns in den unverständigen Streit einzulassen, ob Coreggin
im Helldunkel dem Raffael vorzuziehen sei und ihn in Anmuth
übertroffen habe, wollen wir Coreggio in seinem WVirkungskreise
betrachten. Der Grundton seines Kunsteharakters ist eine Lebhaftig-
keit der Empfindung, welche von Natur sich zur Heiterkeit hinwen-
det, und wo der Schmerz sich seiner bemeistert, ist dieser mehr lei-
denschaftlich, als innig, wie z. B. bei seiner Grahlegung. Coreggin
Weicht jedoch, wo er kann, diesen Empfindungen aus und weiss selbst
den schmerzhaften Gegenständen eine heitere Seite abzugewinnen,
wie in seinem Sebastian, wo dieer unverwundet erscheint ünd der
Gegenstand dieses Bildes xiicht das Leiden des hlärtyrers, sondern
der Jubel der Himmlischen über den Sieg des Miirtyrerthums ist.