II. Zeitr.
Coreggio
und seine Jünger.
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verlängern, niedergerissen, mit einer andern ersetzt und von
Aretusi, wie wir später erzählen werden, wieder aufgemalt
nard. Nachdem die Tribune niedergerissen war, wurde die Krö-
nung U. L. F. _ jetzt auf der königl. Bibliothek gerettet,
welche das Hauptstück dieses Wandbildes war; auch mehrere
damals gerettete Engelköpfe werden zu Rom im Palast Ronda-
nini aufbewahrt. Von Coreggixoßs Hand sind gegenwärtig
in der Kirche S. Giovanxii zwei Bilder in einer Kapelle einan-
der gegenüber: eine Kreuzabnahme und das Martyrthum des
heil. Placidus, auf damastartig gewebter Leinwand, wie einige
Bilder Mantegnzfs. Ausser einer andern -Capelle ist dort
ein Evangelist Johannes im erhabensten Style. Endlich die
grosse Kuppel, wo er die Himmelfahrt Jesu zu seinem Vater,
und die Apostel in Verehrung und Staunen hingerissen dar-
stellt; und diese war hinsichtlich des Maases und der Verkür-
zung der Gestalten, ihres Nackten, ihrer Bekleidung," des Zu-
gleich einer gesamten Handlung in seiner Art" ein beispielloses
Wunder der Kunst; denn damals war hiiehelangelois furcht-
bares jüngstes Gericht im Vatican noch nicht vorhanden
Wie wunderschön aher auch dies Bild war, musste es doch
einem andern naehstehen, das nur Coreggio grösscr malen
2]) Man bemerke, dass Ratti, von Coreggiow Gang nach Rom
überzeugt, aus einigen lE-"iguren jenes Gerichts schloss, Allegri habe
selbe nachgeahmt, ehe doch Michelangelo sie gemalt hatte.
Gleich gewiehtig ist die Verniulliuiig, die er auf einige bei Coreg.
gio gefundene Rnffuelsche Figuren gründet i), als hätten diese
beiden Maler nicht eine und dieselbe Natur zu Reihe gezogen. Aehn-
liches behauptete auch della Vulle, den wir schon Bd. I. S. 309
nanmen; wie wir denn leicht irren, wenn wir, aus Begier Entde-
chungen zu machen und alle Thatsachen aufzuhellen, die Geschichte
verlassen und einer Muthmassung folgen, nicht sowol weil sie gedie-
gen, als weil sie neu und unser ist. Diesel" bereits in der Hälfte
des ISten Jahrhunderts aufgekommene Fehler, der zum grossen Nach-
(heil der Wlissenschalten und Religion immer mehr Ileherhand gewon.
neu, kann unmöglich lange im 19ten sich halten. Vielmehr wird er
von der nie ganz erlöschenden Liebe zur Wahrheit getroffen umkeh-
ren, sie wieder aufzusuchen, und seine ernstesle Sorge wird seyn,
die weltliche und heilige Geschichte von den sie verwirrenden Trug.
schlüssen zu reinigen. L, 1) Das vermeintlich Rßffaelische
beruht doch nur auf einer zufälligen äussern Aehnlichkeit in Einzeln-
heiten, aber keiner inneren Uebereinstimmhng des Styls beider Küns-t.
1er. Wer aber nicht die Eigenthümlichkeit, sowol des Raffael-
sehen als des Coreggioschen Styls durch die Augen auffasst und
in sich aufnimmt, dem wird man vergebens durch hVortedie Ver-
schiedenheit Beider zu beweisen versuchen. Q.