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Oberitalien.
Venediger
Schule.
war, aber doch sehr nachsteht an Grossheit, Nachahmung des
Alterthiimliehen, Leichtigkeit des Schaifexis. Auch seine Fär-
bung war verschieden. ln den Kleidungen liebt er mehr Far-
benwechsel; die Tinten in mehrern einer Arbeiten sind jetzt
matt, die Schatten verändert, wie in andern Bildern jener Zeit.
Ich fürchte aber doch, der grosse Mann habe, wie auch eben
Poussin und Raffael selbst, nicht immer gleich ilcissig
gemalt, zufrieden, nur dann und wann seine 'l'rei'llichkeit auch
in diesem Theile zu beweisen. In der Passione in Mailand
malte er Christus im Garten betend und eine Geisselung, in
seinem schönsten Style. Das erste Bild ist sehr schön nach
Art des Bassano gemalt; das zweite, noch beseelter und von
grösscrm Charak'ter,_ übertrifft das erste auch an Kraft des
Colorits. Andere Muster hat Bergamo, besonders an den bei-
den Hauptaltären in S. Marta und S. Grata. Dort sind zwei
staunenswerthe Gemälde, deren jedes seine Liebhaber hat, die
eines dem andern vorziehen: sie haben so frische, leuchtende
und reizende Farben, dass man nicht müde wird sie zu betrach-
ten. In beiden musste er U. L. F. herkömmlichermassen in
der Höhe mit einer Glorie, unten mehrere Heilige darstellen;
aber im zweiten hat er sich mehr Mühe gegeben, eine schöne
Mannichfaltigkeit von Verkürzungen, Gebärden, Gesichtern ent-
wickelt, die Stadt Bergamo und ein schönes Bauwerk in Pae-
loschem Geschmack hinzugcmalt, die Figuren sorgfältig ge-
kleidet, wic denn ein Bischof in Festschmuek an '.l'izia.n
selbt erinnert. Seine Zimmcrgemälde sind selten und kostbar,
auch ausserhalb der Vaterstadt und ihren Umgebungen nicht
sehr bekannt, wie es vielen trefilichen Malern aller Schulen
geht. Italien hat zuviel ausgezeichnete Maler, als dass alle
gehörig bekannt und gewürdigt werden könnten.
Eneaßs Styl war ohne Hiilfe Raffaelischer Muster nicht
leicht aneigenbar. Francesco und Chiara, seine Kinder,
obwol von ihm unterrichtet, ahmten doch nur seine Studien
und Figuren nach, ohne in Grund und Wesen seiner 'l'heorie
einzudringen. Doch sieht man die Früchte eines guten Unter-
richts an ihnen gar Wohl. Mit andern gleichzeitigen, oder doch
nicht viel jüngern, verglichen erscheinen sie, wenn nicht sehr
lebhaft, doch sehr fleissig und von denlFehlern der Manieri-
steu frei. Die Stadt hat viele, auch öffentliche Werke von