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Oberitalien.
Venediger
Schule.
sützen, in der Fleischfarbe, in der Weichheit und Leichtigkeit
des Pinels. Tizian aber blieb einzig und Varotari steht
ihm nicht wenig in Lebhaftigkeit und Ausdruck der Wahrheit
nach. Auch scheint mir seine Znrichtung und Coloriruug der
Leinwandhilder doch nicht die eines Schülers von Tizian zu
geyn, indem nicht wenige schwarz geworden und die Schatten
sich vertieft und geändert haben. Dies sieht man noch deut-
lich in Florenz an seinem todten Christus, welchen der Fürst
jüngst für seine Gallerie gewonnen hat.
Uebrigens scheint mir, dass er sich zu seinem Muster, wie
Poussin zu Raffael, verhält, welchem er folgt, ohne ihn
zu erreichen, theils weil er es nicht vermag, theils weil er
nicht zum knechtischen Nachahmer werden mag. Sein Mei-
sterstiick ist das Gastmahl zu Kanaan, das von Patina in
den pitture scelte gestochen ist. Es war ehmals in Padua, jetzt
in Venedig im Capitel der Carita: wenig Figuren nach Verhält-
nie des Orts, schöne Kleider- und Geräthpracht, Hunde in
Paoloscher Art, die zu leben scheinen, schöne Dicnerschaft,
reizende Frauen, idealer als bei Tizian und in lieblichen Be-
wggungen; wiewol vielleicht nicht jeder billigen wird, dass sie,
und nicht Männer, wie es gewöhnlich Brauch ist, bei Tische
aufwarten. Dies angeführte Gemälde ist nicht von so leuch-
tenden und frischen Tinten, wie die vier Geschichten aus dem
Leben des heil. Dominieus in einem Speisesaal der Heil. Johann
und Paulus, welche gleichsam die Bliithe des Padovanini-
scheu Styls sind. Dieser liebliche Maler theilte seine Zeig
zwischen der Hauptstadt und seinem Geburtsort, welche allein
viel öffentliche Bilder von ihm haben; andere Städte sind
so wenig reich daran, als Bildersammlungen. Bei Beurthei-
lung seiner Bilder muss man übrigens ja darauf sehen, dass
man nicht Copien bekomme, indem er viele ihn so glücklich
nachahmende Schüler hatte, dass selbst venediger Künstler sie
schwer von dem Meister unterscheiden.
Ausgezeichnet unter des Padovanino Schülern und Nach-
nhmern war Bartolommeo Scaligero, welchen die Padua-
ner ihren Mitbürger nennen, obwol sie wenig von seiner Hand
haben; dagegen die Venediger in mehrern Kirchen, die schön-
sten vielleicht im Corpus domini, besitzen. Gio. Batista
Rossi von Rovigo liess in Padua ein Gemälde zu S. Clemente,