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Oberitalien.
Venediger
S chule.
trocken und kleinlich jedes Haar einzeln nachpinselnd schelten,
obwol wahren und treuen Abchreiber der Natur, Boschini
aber als ein Wunder anstaunt, Weiler mit solchem Fleiss auch
dielhöchste Zartheit der Tinten verband, was andern nicht
gelang. In Gallerien werden seine Compositionen, noch mehr
aber seine Bildnisse und Zerrbilder sehr geschützt. Ich habe
mehrere auch ausserhalb des Gebiets gesehen, und zwei treff-
liche, einen alten Mann und eine alte Frau, beim Ritter Melzi
in Mailand, die kein Niederländer artiger und vollendeter ma-
len könnte.
Zu jener Zeit lebte auch der Ritter Carlo Ridolfi, der,
obwol Vicenzer von Geburt, doch in Venedig gebildet ward und
blühte. Mittels einer gewissen Schlichtheit des Geistes wusste
er sich vor dem Style seiner Zeit im Schreiben und lllalcn rein
zu bewahren, und wie er seine Lebensbeschreibungen venediger
Maler wahr und gediegen hinstelltc, so war er auch in seinen
Gemälden. Besonders lobt man seinen Besuch, gemalt für die
Kirche Oguissaxiti in Venedig, ein Bild, das in Farbenvcrtrei-
hung etwas Neues, schöne Rundung und Fleiss in allen Thei-
len hat. ln Venedig und dessen Gebiet sind andere Gemälde
ödentlich zu sehen; aber ein grosser Theil seiner Arbeiten ist
in vornehmen Privathüusern, und besteht in Bildnisscxl, halben
Figuren und geschichtlichen Bildern. Ridolfi hatte von:
Aliensc gute Grundsätze angenommen, die er nachher in Vi-
cenza und Verona nur mehr ausbildete durch Copiren der dor-
tigen bessern YVei-ke, durch "Studium der Perspective, der schü-
ncn Wissenschaften und der übrigen Bildungsmittel eines ge-
lehrten Malers. S0 beurkundet er sich auch in den zwei Bän-
den der Lebensdesclzreiöungen, die jetzt sehr selten geworden
sind und wohl verdienten, mit, oder ohne die Kupfer, die, wie
ich höre, noch in Bassano vorhanden seyn sollen, neu gedruckt
zu werden; denn am Ende ist es doch kein grosser Schade,
die Bildnisse tüchtiger Männer zu missen, "wenn man nur ihre
Trelilichkeit kennt. Vergleicht man Rid olfi's Schreibart mit
der des Boschini, so möchte man glauben, sie gehörten ver-
schiedenen Jahrhunderten an und glcichrvol waren sie fast
gleichzeitig. AbcrBatylc sagt ganz richtig, es giebt eben so-
wol geistige, als leibliche Seuchen und wie nicht Alle an dic-
Sen erkranken, so verlieren auch, wo jene herrschen, nicht Alle