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Oberilalien.
Venediger
Schule.
Weil aber, wie ich gleich anfangs bemerkte, ein Jahrhun-
dert doch nicht so durchaus verwildcrn kann, so finden sich
auch unter den Manieristen, welche der Hauptzug dieser Zeit
sind, doch gute Nachahmer Tizianw, Paolo's, ja selbst
RaffaePs, sowol in der Hauptstadt, als in den Landschaften.
Ja, sie waren dort zahlreicher; denn die Künstler de Festlan-
des hatten nicht soviel grosse Muster, wie die Venediger sie
mit wenig Mühe plünderten, wodurch die Kunst zurückschritt.
Als ersten, welcher den gediegenen Styl aufrecht hielt, nenne
ich Giovan Contarino zu Zeiten Palma's, Malom-
Ina's Genossen und Tizian's genauen Nachtreter. "Nicht
immer gelang es ihm, die Natur, nach welcher er malte, zu
verbesern, oder zu verschönern; stets aber malte er in gedie-
genem und wahrhaft Tizianischem Geschmack. Auf Perspec-
tive verstand er sich sehr gut, und malte in S. Francesco di
Paolo an der Decke eine Auferstehung nebst andern Geheim-
nissen mit so lieblich colorirten, so schön unterschiedenen und
bewegten Figuren, dass das Bild zu den schönsten der Stadt
gehört. Für Bihlcrsammlungen malte er viel, auch in Deutsch-
land; wesshalb er von Rudolf ll. mit Ritterkreuz und Band
beehrt Ward. Am liebsten waren ihm Gegenstände aus der Fa-
bellehre, welche gehörig zu behandeln er hinlänglich unterrich-
tet war. In der Sammlung Barbadigo hab ich dergleichen
viel gesehen. In Bildnissen war er so wahr, dass, als er ei-
nes des Marco Dolce in das Hans brachte, Hunde und Katzen
um daselbc herumsprangen und schmeichelten, al wär' es der
Herr selbst.
Dennoch übertraf ihn als Bildnismaler Tiberio Tinelli,
erst sein Schüler, dann Lcandro Bassano's Nachahmer,
den der König von Frankreich zum Ritter machte, Piano
von Cordona sagte, als er ein Bildnis von seiner Hand sah,
Tiberio habe die Seele des Abgebildeten und seine eigene
dazu hineingemalt. In Rom hab ich eins gefunden, das sehr
theuer verkauft ward; mehrere hab ich im Venezianischen ge-
sehen. Zuweilen sind sie nicht vollendet, wie es die Besteller
wollten, um wohlfciler wegzukommen; zuweilen sind sie ge-
schichtlich angeordnet: Marcantonio z. B. ist ein Venedi-
ger Herr, Cleopatra seine Gemahlin. Kostbar sind auch seine
Cabinetbilder in der Grösse von Bildnissen, manchmal fabelhafte,