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Oberitalien.
Venediger
Schule.
konnte er sie nicht so ganz vergessen, dass er nicht in seinen
ersten Arbeiten, in der Kirche der Jungfrauen, Paolist ge-
schienen hätte, ja für diesen Styl ganz geeignet gewesen wäre.
Die Geschichtschreiber rügen an ihm, dass er diese Bahn ver-
lassen und eine andere, seinem Talent minder angemessene ein-
geschlagen, ja sie legen es ihm zur Last, dass er bald sich in
den Strom der Manieristen verlaufen habe. Damals malte er
zuweilen fleissig, wie in der Erscheinung U. H. im Rathsaale
der Zehnmünner; gewöhnlich aber misbrauchtc er seine leichte
Auffassungsgabe, ohne für seinen Ruf zu fürchten, weil seine
Nebenbuhler, Palma und Corona, dasselbe thaten. Gegen
seinen Feind Vittoria stützte er sich auf einen andern he-
rühmten Künstler, Girolamo Campagna, Sansovinefs
Schüler, und erfreute sich auch der Gunst Tintoretto's_
So malte Aliense viel in dem Stadthause und den Kirchen
Vcnedigs und wurde auch in andern Städten bei grossen Wer-
ken gebraucht, besonders in Perugia zu S. Pietro, ohne jedoch
,es zu dem Rufe zu bringen, den seine leichte Fassungsgabe wol
hätte erreichen können. Ihm half Tommaso Dolobella aus
Belluno, ein guter Praktiker, in Polen, wo er Sigismund dem lli.
lange diente, wohl aufgenommen. In des Aliense Leben
nannte Ridolfi auch Pietro Mera, einen Niederländer, wel-
chem er als Freund sein Bildnis malte. Uebrigens giebt ihn
weder die Geschichte noch sein Styl als seinen Schüler kund.
Dieser lebte und arbeitete viel zu Venedig in der Johann-Pauls-
kirche, in der Madonna dell" Orto undanderwäirts. Zanetti
urtheilt über ihn, er zeige wohl, dass er die venedigcr Maler
sehr und mit vielem Erfolg studirt habe.
Pietro Malombra der Venediger könnte fast aus dem
Verzeichni der Palmisten, ja lllanieristen wegbleiben. Wenn
er sich zuweilen verirrte, war es mehr menschliche Schwäche,
als Grundsatz. Von gutem bürgerlichen Hause abstammend,
hatte er auch durch Erziehung gelernt, Ehre sei besser, als
Gewinn. Unter SalviatPs Leitung hatte er eine gute Zeich-
nung gewonnen, Gelehrig und geduldig von Natur, verschmühte
er es nicht, seinen Arbeiten eine grösscre Vollendung zu geben,
als es in damaliger Zeit Brauch war. Als Jüngling malte er
aus Lust; erwachsen, von Misgesehiek gezwungen, Gewerbs
halber im herzoglichen Palast. In Bildnisse-n und kleinem Ver-