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Oberitalien.
Venediger
Schule.
Palast Pitti und eines im Hause Barherini üherpinsclte und von
neuem malte. Allein diese und andere angezogene Gewähr-s-
männer beweisen wenig, indem es meistens Maler waren, welche
das Cblorit der Zeichnung verzogen 1); und man könnte ihnen
leicht tüchtige, besonders englische und französische Maler da-
gegen anführen, welche ganz anders (lachten; nur dass der-
gleichen Lobredner auch die neuern Venedi er nicht wie die
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l) Diee ausschweifenden Aeusserungen erklärt Lanzi sehr richtig;
allein sie verdienen doch noch eine Zurechtweiznmg, weil es gerade
noch Professuren der Malerei giebt, welche dem des Boschini
gleichen. tVas den Geschmack des Velasco betrifft, so war dieser
blos für Bildnisse und zwar von der Art, welche mehr die äussere
Erscheinung, als das geistige Leben darstellen, entwickelt, und so
gefielen ihm Portrait: von solcher Wahrheit des Colorits und kräfti-
ger Pinselführung, wie die Tizianiscbe Schule lieferte, mehr, als
jene hohen Gebilde des Rsffael, zu deren Verständniss mehr ein
tieferes Eindringen in den Gedanken erfordert wird, als eine hlos
sinnliche Auffassung des Bildes durch die Augen, Es käme nun nichts
darauf an, ob dem Velasco die venezianische Malerei mehr geliel,
als Raffaels seelenvolle Kunstwerke, wemrnur nicht gerade in un-
serer Zeit die spanischen Meister überschätzt Würden. Nach J. B,
Descamps La m'a des peinlres jlamanrls, nllenumrls et lwllandois,
qvec des pnrtraits. Paris 1753 T0. I. p. 300 scheint es allerdings
auch, als wenn der Verfasser meinte, dass die venezianische Schule
Rubens mehr zugesagt hätte, als die römische. Dies zugegeben,
so beweist es doch noch keinen Vorzug der venezianischen Schule.
Rubens war ein so geistreicher Realit in der Malerei, dßss
ihm das Tizianische Fleisch allerdings vorzüglich gefallen musste,
und er ist zu loben, dass er einer kräftigen, beitern Auffassung
der tVir-klichkeit, auf welche ihn die eigene Natur anwie, treu
blieb. Allein es ist dennoch die Frage, ob Rubens als Nord-
länder die Naturschönheit der Venezianer, ja. seines eignen Volk-
stamms, würde erkennen gelernt haben, wenn ihm nicht die edlen
Gestalten der römischen Schule den Sinn für das Schöne überhaupt
geölfnet hätten; denn ausser ihm hat doch nur van Dyck unter
den neuem Rhein- und Niederländern einen so frischen, olTnen Sinn
für die Nationalscböilbeit ihrer Landsleute gezeigt, indess die andern
nur das Gemeine und ohne Wahl und Sinn, wie Spiegelgliiser die
Wirklichkeit, auffassen. Albano kann wohl Grund gehabt haben zu
bedgqern, nicht in Venedig studirt zu haben, weil ihm das Höchste
der römischen: Schule doch unerreichbar wsr und die natürliche und
grossartige Anmulh der tizianiscben Schule, für welche er von
der Natur bestimmt zu seyn schien, erst zu spät sich auflbat, nach-
dem er sich schon einer Weichlichkeit ergeben holte, die ß? IIiCM
mehr ablegen konnte. Hinsichtlich de! P- lia Cortonß T0131 hie!
daraus, dass die kräftige Manier des Tinißrelto besser war und
eine edlere iVirkung hervorbrachte, als die des Cortnna, der nur
nach dem in die Sinne Fallendcn strebte. Uebrigens läuft dies alles
auf die oft gerügte ahwiigende Schätzung von Meistern und Schulen
hinaus, indess Alle: in seiner Art, ohne Vergleich, gewürdigt wer-
den muss. Q.