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Oberitalien.
Venediger
Schule.
hrauchs verzeihen, wogegen er stets verstösst Guido,
dieser grosse Meister, wie jeder weiss, verzieh es ihm auch
wirklich, wenn er sagte: könnte ich mir das Wesen eines Ma-
lers wühlen, so möchte ich Paolo Veronese seyn. Bei den
andern sieht man die Kunst; in diesem scheint alles Natur.
In sechzig Jahren malte dieser Maler viel, doch nicht zu-
viel, wie viele andere. Jedes Bild ist seiner würdig; jedes,
sagt Ridolfi, ist von irgend einem Maler copirt; Welche Ehre
weder Tintorett, noch vielen andern wiederfuhr. Seine
Weise, helle Gründe und so reine Tinten als möglich zu brau-
chen, hat die Frische seines Colorits erhalten." In Venedig
sind noch Bilder von ihm in lachender Anniuth. Ausgezeich-
net ist das des Hauses Pisani, Darius Familie dem Alexander
vorgeführt; überraschend reich und voll rührenden Ausdrucks.
Wie dies, ward einst der Raub der Europa bewundert, welchen
er auf einer grossen Landwand in mehrern Gruppen ausstellte,
ungefähr wie Coregigio seine Leda; in der ersten erscheint
sie unter einer Menge von Jungfrauen, welche (den Stier) lieh-
kosen und ihm aufsitzen möchten; auf der zweiten reitet sie
auf ihm und ergctzt sich am Ufer hinstreifend unter dem, Jubel
ihrer Gespielinnen; in der dritten, welche allein in grossen Ver-
hältnissen ist, reitet sie bestürzt, von den Mädchen vergebens
zurückersehnt und beweint, über das Meer. Dies Werk, eine
Zier des herzoglichen Palastes, hat viel von der Zeit gelitten
und ward aufgemalt.
In Verona, dessen Klima Gemälden günstiger ist, findet man
noch leichter ganz unangetastete Gemälde Paolo's. So hat
60) Man will ihn damit entschuldigen, dass, wenn er alle Figuren
mit den_Unterkleidern und Mänteln der Alten bekleidet hätte, er
eintönig und langweilig geworden wäre. Wer alte Basreliefs und
Standbilder gesehen, wird wol keine lllannichfaltigkeit vermissen
Ganove hat in unsern Tagen zwei Basreliefs, die Verurtheilung des
Sokrates, geliefert. Die griechische Bekleidung ist nur Unterkleid
und Mantel; der Handelnden viele; und doch welche Abwechselung
in den beiden Kleidungstücken! L. Paolo hätte so gut, wie
jeder andere, wegen der alten Costume Gelehrte, oder sogenannte
gelehrte Bilder zu Rnthe ziehen können. Allein er malte für das da-
mals prächtige, lebenslustige Venedig und sein eigner Frohsinn gah
es ihm ein, alles als eine heitere Gegenwart darzustellen. Dadurch
brachte er die fernen Begebenheiten näher, dass er sich der Sitten
und Kleidungen seiner Zeit bediente, und er verdient deshalb keinen
Tadel. Q.