Zweiter Zeitraum.
Giorgione,
Tizian,
Tintoretto
etc.
129
frei von Verstössen gegen Perspective, Stellung, Composi.
tion und besonders Symmetrie sind; denn es ist ziemlich
allgemeines Urtheil, dass er in Zeichnung der Extremitäten
nichts leistete, und darum möglichst vermied, Hände und Füsse
zu malen. Diese und andere Rügen kann man nun wol mil-
dern, wenn man Arbeiten von ihm nachweiset, aus welchen sich
ßrgiebt, dass er, wenn er wollte, es besser machen konnte. Er
konnte gar wohl mannichfaltig in seinen Compositionen seyn,
Wie in der Geburt in der Ambrosiana in Mailand; konnte wohl
gehörig und neu auffassen, wie im S. Rochus zu Vicenza; wohl
die Extremitäten zeichnen, wie im heil. Petrus zu Venedig in
de? Kirche dell' Umilta; wohl die Gesichter adeln, wie in einem
Bilde der Königin von Saba zu Brescia. Aber er wollte es
nur selten, weil es ihm zuviel Arbeit kostete, oder aus andern
Gründen; ihm gniigte, es im Colorit, in Beleuchtung und Ver-
Schattung zum Höchsten gebracht zu haben. Auch gefiel er
S0 allgemein, dass er viele Aufträge von Höfen bekam und der
Wiener ihn in seine Dienste nehmen wollte. Ja, was noch
mehr sagen will, trotz seiner Mängel ivard er von andern be-
rühmten Malern, Vasari ausgenommen, ansserordentlich ge-
lobt, wie Tizian, Annibal Caracci, der sich durch ein
gemaltes Buch täuschen liess, wonach er, wie nach einem wah-
ren, grilf; von Tintoretto, der sieh sein Colorit wünschte,
und in manchen Stücken nachahmen wollte. Vor allen aber
ehrte ihn Paolo Veronese, der ihm seinen Sohn Carletto
in die Lehre gab, um ihn in vielem, besonders aber in der
richtigen Vertheilung der Lichter unter die verschiedenen Ge-
genstände und in jenen glücklichen Gegenstellungen zu unter-
weisen, wodurch die gemalten Gegenstände wirklich leuchten;
ein grosses Lob, das Algarotti Jacopo's Styl ertheilt!
Bassano unterrichtete vier Söhne in der Malerei, Welche
diese Kunst auf andere fortpflanzten, so dass die bassaner
Schule einige Jahrhunderte fortlebte, immer jedoch im Abneh-
men und von ihrem ersten Glanze sich entfernend. Fran-
cßsco und Leandro waren am meisten begabt, ihm zu fol-
gen, und er pflegte des Ersten sich wegen seiner Eriindungs-
gäbe, des Zweiten wegen seiner Bildnismalerei zu rühmen. Von
den zwei andern, Ginmbatista und Girolamo, pflegte er
zu Sägen, sie wären die besten Copisten seiner Werke. Alle,
Ü. Bd. I