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Oberilalien.
Venediger
Schule.
ging, ward scin Styl kraftlos. Girclamo Rossi, mochte
er Schüler, oder Nachahmer von ihm seyn, hat, meines Bedün-
kens, seinen Charakter besser, als Andere, besonders in einem
Bilde dargestellt, welches inS. Alessandro befindlich ist, U.
L. F. unter mehrern Heiligen. Ein anderer guter Nachahmer
jenes Styls ist ein gewisser Piermaria Bagnatore, der
im unschuldigen Kindcrmord in S, Franccsco sich Balneator
unterschreibt, ein, wenn nicht sehr kräftiger, doch sicherlich
besonnener, überlegsamer und genauer Oelmaler, welchem die
Stadt die Copic eines Bildes von Moretto übertrug.
Mit Moretto zugleich blühte in Brescia um 1540 il
Romanino, welcher sich in S. Giustina zu Padua Hiero-
nymus Rumanus unterzeichnet. Er war ein grosscr Neben-
buhler Bonvicinos, nach Vasari ihm nachstehend, nach
Ridolfi aber gleich. Man scheint mit Wahrheit sagen zu
können, er übertraf ihn an Genius und Freiheit des Pinsels,
kam ihm aber nicht gleich in Geschmack und Fleiss, indem
man allerdings einige handwerklich gearbeitete Bilder von ihm
hat. Meistens jedoch zeigt er sich als grosser Meister sowol
in Altarbildern, als in mancherlei geschichtlichen und seltsa-
men Zusammensetzungen. Und nicht allein" in Brcscia, son-
dern auch in Verona, wo er in S. Giorgio das Martyrthum des
Kirehenheiligen in vier Bildern darstellte, die reich an den
mannichfaltigstcn, lcbhaftesten, fiirchterlichsten Henkerfiguren
sind, die ich je gesehen. Dieselbe Fruchtbarkeit an Ideen und
mit grösscrer Auswahl der Formen entwickelt er auf einem Al-
tarbilde VU. L. F. in Calcara zu Brescia, wo er den Bischof
Apollonius darstellt, wie er dem Volke das Abendmahl reicht.
Es ist ein Werk, woran alles gefüllt, Reiehthum des Orts und
heiligen Geräiths, die Andacht des Prülaten, der Priester, des
Volks, die Mannichfaltigkeit der Gesichter und Zustände; viele
und seltene malerische Schönheiten ganz in den Gränzen des
Schicklichen und Wahren. Minder voll, aber nicht weniger
vollendet ist seine Abnahme vom Kreuze in den HH. Faustino
und Giovita, welche Palma als dem vcnediger Styl sehr ühnelnd
lobt; er hätte wol auch sagen können, dem Tizianisehen,
wiewol er in einigen Arbeiten wieder viel von Bassano hat.
An Tizian aber haftcte er mehr, als an irgend einem; die-
sem folgte er mit allem Eifer, mochte ihm nun sein Meister