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Oberitalien.
Venediger
Schule.
morwerke sammeln, welche der Kunst immer förderlich, wenn
gleich vonmittelmässigen Künstlern sind. S0 viel Antheil hat
am Verdienst eines Künstlers der Ruf eines berühmten Meisters
und der Styl einer gefeierten Zeitl An seinem Namen habe
ich zweifeln hören, obwol er in dem Nekrolog von S. Panta-
leone ausdrücklich der Maler Polidoro genannt wird. Diesen
Zweifel veranlasste ein ablanges Bildchen im Style der Poli-
doroschen Madonnen bei den Edlen Pisani, wo ein so köst-
licher Vorrath von Denkmälern und Büchern vorhanden ist;
dort steht der Name des Künstlers unterzeichnet: Gregorius
Parideus. Aber diese etwanige Namensähnlichkeit gnügt kei-
neswegs, den Polidoro als Urheber jenes Bildes aufzudecken;
wahrscheinlicher macht es uns mit einem, wie es denn auch
andern schwachen Pinslern ergeht, in Vergessenheit gerathenen
Tizianistcn bekannt. Unter die schwachen ist Gio. Sil-
vio nus Venedig nicht zu rechnen; bisher in der Geschichte
seines Vaterlandes ungenannt, macht er seinen Anspruch darauf
wieder geltend durch mehrere im Trevigigebiet zerstreute Ar-
beiten und ein sehr zierliches Bild auf Holz, welches er 1532
für die Collegienkirche von Piove di Saecc, einem Landgericht
im Paduauischen, malte. Es stellt den heil. Martin auf dem
Bischofsitze dar zwischen den Aposteln Petrus und Paulus; drei
Engel sind sein Hofgeleit, zwei regieren den Krummstab, einer
spielt am Fusse des Throns die Cither, eine anmuthige Gestalt, so
natürlich und, wie die übrigen, ganz in Tizianschem Ge-
schmuck; so dass, wenn man Silvio nicht mit Gewissheit
Tizian's Schüler nennen, man es doch mit vielem Grunde
vermuthen kann.
Dem Abt Morclli, der in seiner Notizia den wahren Ge-
burtsort des Bonifazio veneziano entdeckt hat, verdanke
ich, dass ich ihn gegen Vasari, Rilißlfi, Zanetti, die ihn
zu einem Venediger machen, den Veroner nenne. Ridolfi
hielt ihn für einen Schüler Palnnfs, Bosehini für Ti-
zianßs Jünger und Nachfolger, wie den Schatten eines Kör-
pers. Oft hörte man zu Boschinüs Zeit, und in Venedig
noch jetzt bei zweifelhaften Bildern fragen: ist es von Ti zian,
oder Bonifazio? Mehr als in andern Bildern kam er dem
Veeelli nahe in dem Abendmal U. H. im Karthiiuserkioster.
Oefter hat er einen Charakter, der einen freien, schöpferischen