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Unleritaiien.
Buch.
Auch begreife ich nicht, wie nach Vasari, der das Decken-
gemälde dem Cimabuc zuschreibt, und nach einer fünfhun-
dertjährigen Ueberlieferung, die es ihm zusiehert, P. della
Valle dasselbe Giotto, einem so viel feinem Maler, bei-
legen konnte. W01 hat er dem Cimabue diesen und jenen
Itlaler derselben Zeit Vorziehen, wollen, weil sie minder griiss-
liche Augen, oder besser geformte Nasen malten; dies sind
aber, meines Erachtens, Kleinigkeiten, welche Cimabue
wol nicht von der Stelle vertreiben können, die er in den Au-
gen der Unbefangenen einnimmtgo). Wenn er übrigens Schreibt,
dass es mit seinen Mustern für die Horentiner Schule nicht
soviel auf sich habe, so klingt das wol hart von Einem, der
so viele und so alte Schriftsteller über diese Stadt gelesen, die
ihn siimmtlich preisen, und der gesehen hat, was die Floren_
tiner Maler vor ihm geliefert, und wie weit er sie übei:_
treffen.
War Cimabuev) der Michelangelo jener Zeit, so
30) Zu den für Cimabue günstigen Zeugnissßnviit noch ein
sehr gewichtiges aus der vor einigen Jahren vonf Abt Morelli her-
ausgegebenen Elandschr. gekommen. Es heisst da, dass Cimabug
zußadua in der Karmeliter-Kirche gearbeitet, die nachher al,_
brannte; dass aber ein Juhannniskopf, auf Holz von ihm gemalt, ge_
rettet und in dem Hause Alessandro Capella": aufbewahrt
worden. Würde wo! ein Maler, mit dem es wenig auf ich hälle,
nach Parlua berufen "worden seyn? MVürde man seine Ueberhleihee1
so hoch gehalten haben? Konnte er in einer von Vasari so fern
liegenden Zeit o geachtet werden, deren Kunst man gern Cimn-
bue9s Ruf zuschreiben möchte! Andere Beweise sehe man in der
Verteidigung Vasari 's in dem dritten Zeitraum dieses ersten Üllfils
und halle sich doch jeder Geschichtschreiber rein von System und
Parteisuchl. L,
31) Alle Bewegung, alles Streben und WVEdei-sirehen ist allluiilig,
und wenn uns etwas überrascht, so ist es kein Sprung in den Re-
gehenheiten, sondern ein Ereigniss, dessen leises Nahen und lwrbe-
reiten wir nur nicht beobachtet haben. Und so steht jeder grossß
Mann mit Vurzeit und Nachwelt immer in enger Verbindung und er-
Weckt dadurch Staunen, dass in ihm und durch ihn zum klaren Be-
wusstseyn gehrarht und ausgesprochen wird, was dunkel viele all-
neten und im Laufe von Jahrhunderten reifte.
S0 trägt Cimahue noch das (ieprage der alten , ansgelebten By-
zantlnischen Schule an sich; aber aus diesen erstarrten Kunstgebil-
den blickt. schon ein neuerwacheildes ILe-hen mit Geisleraugen hervnr,
und daher haben seine Gebilde etwas Wundersalnes, Unheimliche;
und doch Anziehendes. Es ist der Zwiespalt und Kampf todlcr, Star-
rer Formen und eines Ausdrucks von Seele in diesen Bildern; und
Sehr bezeichnend sagen die Italiener von solchen Werken, dass sie et-