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Unteritalien.
Viertes Buch.
N eapelische Schule.
die besten Itnlischen Schulen geführt, nahm er ihn reich an
Zeichnungen und Ideen wieder mit in seine Vaterstadt. Der
Vater war ein schwacher Maler, der in Rom von seines Sohnes
Arbeit leben musste, dessen Zeichnungen schon damals sehr ge-
sucht wurdenz), und konnte ihnr keine andere Kunstregel ge-
ben, als die, welche die Noth ihm lehrte, nämlich hurtig zu
arbeiten. Es ist unerhört, wird aber doch erzählt, dass Lu-
ca, wenn er Speise zu sich nehmen wollte, die Arbeit nicht
beiseite legte, sondern den Mund, wie eine Amsel oder ein
Sperling im Nest öffnete, der Vater ihm die Speise hineingnb
und dabei immer in die Ohren rief: Luca, mach hurtig! Ünd
so wurde denn auch Luca von den Römischen Malern Fa
presto genannt, wie in mehrern Büchern. Durch diese Er-
ziehung gewöhnte ihn Antonio an eine wundergleiche Schnel-
ligkeit, wesshalb er auch von Einigen der Blitzstrahl der
Malerei genannt wird. Diese Schnelligkeit aber rührte nicht
bloss von seiner leichten, beweglichen Hand her, sondern vor-
züglich von seiner schnellaufleuchtenden Einbildungslcraft, wie
Solimene" zu sagen pflegte, womit er gleich vom Anfang her
sah, wie das Bild werden sollte, und sich nicht bei Einzelhei-
ten mit Bedenken, Billigen, Wählen aufhielt, wie Andere. Er
ward auch der Proteus der Malerkunst genannt, seines aus-
serordentlichen 'l'alents wegen, jeden Styl nachzuahmen, was
wieder von seiner Phantasie herriihrte, die, was sie einmal ge-
sehen, festhielt. Man hat nicht wenig solcher Bilder von ihm
in Albrecht Bär-er's, Bassanoh, Tizianrs, Rubens"s
Style, wonxit er Einsichtige, ja sogar seine Nebenbuhler, täusch-
te, die doch mehr als alle auf ihrer Hut seyn mussten. Der-
gleichen Bilder sind nachher im Kauf doppelt und dreifach so
hoch, als ein gewöhnlicher Giordano, bezahlt worden. Pro-
ben davon sind auch in den Neapler Kirchen, wie die beiden
Bilder in Guido's Styl in S. Teresa, besonders die Geburt
des Herrn. Auch der Spanische Hof hat eine so ganz Raf-
faeische heilige Familie, dass Mengs in einem Briefe (T.
i
2) Giordano erzählte, er habe damals die Zimmer und Hie Logen
Raffaelw ZWölß, die Constanlinschlacht von Giulio wol zwan-
zigmal gezeichnet , Mi c h el a ng elo 's , l'ol illo ro' s und anderer
treliliclner Künstler Werke nicht zu erwähnen. S. Bellori's Le-
Iwusbcschrcibungezz. Rum 1728, S. 307. L-