Zw. Zeitr. Einfluss Raff. u. Michel. auf d. Neapol. Schule.
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glaube ich nicht zu irren, wenn ich sage, dass unter den Mi-
chelangelisten kein minder übertriebener Zeichner, und kein
stärkerer Colorist, als er, gewesen. Doch bleibt er sich nicht
gleich: in der Kirche des heil. Severino, wo er vier Bilder
malte, ist auch [eine Geburt U. L. F., welche den übrigen nicht
gleich kommt; das Ilandwerkmässige War unter den damaligen
Malern so gäng und gehe, dass nur Wenige davon frei blieben,
In Neapel zog er mehrere Schüler, keinen berühmtern aber,
als Gio. Angele Criscuolo. Dieser war Bruder des be-
reits genannten Gio. Filippo, und bekleidete _das Amt eines
Notars, ohne daneben die von Jugend auf getriebene Miniatur-
malcrei zu vernachlässigen. Aus Nachcifcrung seines Bruders
wollte er auch grössere Figuren malen und studirte sich in
seines Lehrers Marco Styl sehr ein.
Diese beiden Künstler legten den Grund zur Geschichte
der Neapolitaner Malerei. Aus der Druckerei der Giunti in
Florenz war 1568 die neue Ausgabe des Vasarischen Werks
hervorgegangen, worin der Vf. sehr kurz {im Leben Daniel-
la's von Volterra über Marco da Siena spricht. Er sagt;
nur, er habe bei diesem Meister viel gelernt, Neapel als seine
Vaterstadt betrachtet, dort stets gewohnt und gearbeitet. War
nun entweder Marco mit diesem Lobe nicht zufrieden, oder
verdross ihn Vasari's Schweigen über viele Siener Künstler,
und fast alle Neapolitaner, er nahm sich vor, gegen das Werk
zu schreiben. Nun hatte er unter seinen Schülern den kurz
vorher genannten Notar, welcher ihm aus Urkunden und Ue-
bcrlieferungen gezogene Nachrichten über Neapolitaner Künst-
ler versehatite, woraus Marco einen Discorso verfasste.
Er scheint ihn 1569 geschrieben zu haben, also ein Jahr nach
der Erscheinung des Vasari; und dies war der erste Ent-
wurf einer Kunstgeschichte Neapels, der jedoch damals noch
nicht erschien. Erst 1742 gab ihn, und nicht ganz, Domi-
nici heraus mit Criscnolo's Nachweisungen in Ncapeli-
Scher Sprache, und einer Zugabe anderer über die nachfolgen-
den Künstler von zwei wackern Malern, Massimo Stan-
zioni und. Paolo de, Matteis gesammelten und ausgear-
beiteten. Andere theils von ihm selbst gesammelte, theils ihm
von einigen gelehrten Freunden, wie dem ausgezeichneten Al-
tcrthumsforschcr Matten Egizio, mitgetheilte gab Domi-