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Unteritalien.
Viertes Buch.
Neapelische Schule-
leihen konnte. War es ein Zug der Eigenliebe, dass er Weder
ihn, noch einen andern Landsmann anerkennen mochte, weil er
für den Hersteller des Geschmacks in Neapel gelten wollte?
Oder war es Folge der mancherlei und langen lllishülligkeiten
zwischen den Neapler Malern und ihm, wie Dominici sagt?
Oder war dies der Grund, das, wie ich in der Vorrede be-
merkte, an Bildern Einem gerade das misfällt, was Vielen ge-
fällt? Urtheile jeder nach Gefallen! Ich meines Theils, so ge-
neigt ich bin, ihn wegen mancher Uehergehung, die in die-
sem Werke unvermeidlich war, zu entschuldigen, kann doch
dies Schweigen nicht wohl verteidigen. Auch haben die Ge-
schichtschreiber dieser Stadt nicht unterlassen darüber zu kla-
gen, ja zu schmiihen und ihn als einen Verderber der Malerei
anzuklagen. So wahr ist, dass wer ein Volk in seinen Schrif-
ten beleidigt, einen Schriftsteller verletzt, der nie stirbt!
Der zweite Anhänger und Schützling Michelangelws,
darum nicht sein Schüler, wie Andere glauben, der in Neapel
arbeitete, war Mareo di Pino, oder Marco da Siena,
dessen wir mehrmal erwähnten. Er scheint 1550 dahin ge-
kommen zu seyn, wurde gut aufgenommen, erhielt das Bürger-
recht, und wicwol er fremd war, that ihm dies doch keinen
Eintrag bei diesen Bürgern, die gegen rechtschaflenc Fremde,
wie er es war, von Natur sehr herzlich sind. Alle aber schil-
dern ihn als einen aufrichtigen, lentseiigen, aehtungswerthen
Mann. Er stand dort im Rufe des ersten Malers, wurde oft
in bedeutenden Arbeiten in den grössern Stadtkirchen und ei-
nigen des Königreiches gebraucht; wiederholte in mehrern Bil-
dern die schon in Rom gemalte Kreuzabnahme, aber mit neuen
Veränderungen; und die in S. Giovanni de, Fiorentini vom
Jahre 1577 wird sehr geschätzt. Die Beschneidung in der al-
ten Jesuitenkirche, wo Parrino sein und seiner Gattin Bild-
nis findet 6), die Anbetung der morgenländischen Weisen
und andere Bilder von ihm haben seiner würdige Ansieh-
ten; denn er war ein tüchtiger Baumeister und Schrift-
steller über Baukunst. Sein Verdienst als Maler anlangend,
(i) Dies sind oft nur Volksagen, denen man ohne geschichtlichen:
Grund nicht glauben darf. Nicht einmal nur hat es uich gCITOITen,
dass dergleichen Bildnisse den Schutzherrexx den Altars gehörten.
L.