Volltext: Geschichte der Malerei in Italien vom Wiederaufleben der Kunst bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Erster Band)

Vorwort, 
XIX 
Einen Meister zu erkennen muss man seine Zeich- 
nung kennen. Dazu verhelfen seine Skizzen, seine Bil- 
der, oder wenigstens Stiche davon, ivofern sie genau 
sind. Ein grosser Kupferstichkenner hat über die Hälfte 
Wegs zum Bilderkenner gemacht. Wer dies seyn will, 
betrachte Tag und Nacht Kupferstiche! Sor gewöhnt sich 
das Auge an diese Art, die Figuren zu zeichnen, oder 
zu verkürzen, die Köpfe zu charakterisiren, die Gewän- 
der zu werfen und zu falten, an diese Bewegungen, an 
diese Art: zu denken, zu ordnen, entgegenzustellen, die 
dem Künstler eignet. S0 lernt er gleichsam die Fami- 
lie von Jünglingen, Knaben, Alten, Frauen und Männern 
kennen, die jeder Maler sich angekindet hat und gewöhn. 
lieh in seinen Bildern vorfiihrt. Und hier kann man nie 
genug sehen; so geringfügig und beinah unmerklich sind 
zuweilen die Unterschiede eines Nachahmers, z. B. des 
Michelangiolo, von dem andern, wiewol beide nach 
demselben Carton, nach demselben Standbilde arbeite- 
ten, und so zu sagen nach demselben Musterblatt schrei- 
ben lernten.  
Noch mehr zeigt sich aber die Ureigenthümlichkeit 
in der Färbung, diesem Theile der Malerei, den sich 
jeder mehr aus eignem Sinn und Gefühl, als aus frem- 
der Anweisung anbildet. Der Kunstfreund lernt das nie, 
bevor er nicht viele Werke eines und desselben Meisters 
gesehen, und bemerkt hat, welche Art von Farben er 
vor allen liebt, wie er sie vertheiltx verbindet, vertreibt 
und abschwächt, was seine Localtinten sind, was sein 
Hauptton, in welchem er die Farben hält. Wie deutlich 
nun dieser und gleichsam silbern an Guido und seinen 
Schülern, golden an Tizian und seinen Jiingern, und 
so fort hervorlritt, so hat er gleichwol soviel verschiedene 
Abweichungen, als Künstler. Dasselbe gilt von Hulbtin- 
Q x-
	        
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