Fünfter
Zeitraum.
Cortonisten.
Maratla
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bei manchem Schönen doch immer Manier hat, besonders in
dem Faltenwurf. War nun so der Laune die Bahn eröffnet,
so fingenyaueh die wahren Kunstgesetze zu schwanken an,
und wurden mit falschen vertauscht, und in wenig Jahren fass-
ten in den Malerschulen, besonders bei den Cortonisten viele
verwcrfliclle Grundsätze Platz. Einige tadelten sogar die Nach-
ahmung RaffaePs, wie Bellori im Leben Carlo Marat-
tafs S. 102 bezeugt; Andere verhöhnten das'Studium der Na-Y
tur als unnütz und hielten für besser, knechtisch die Figuren
Anderer nachzuahmen. Die Folge davon giebt sich in den
Bildern einer gewissen Zeit kund. Die Gesichter haben immer
grosse Lippen und Nasen, wie die des Pietro, und eine voll-
kommene Familienühnlichkeit; ein Fehler des Pietro, wel-
chen Bottari den einzigen nennt; an den Cortonisten ist
er nicht der einzige. Alles ging darauf hin, das Studium zu
vermindern und die Leichtfertigkeit auf Kosten der Zeichnung
zu fördern, deren Fehler man in den Umrissen mit eher ge-
häuften, als vertheilten Abdänxpfungen verbarg. Man fordere
nicht, dass ich mich auf die Einzelnen einlasse, da. von einer
nicht allzu fernen Zeit die Rede ist! YVer einen vorurtheils-
freien Blick hat, urtheile selbstl Ich komme wieder darauf zu-
rück, was vor etwa 120 Jahren die Malerei der Römer war.
Die angesehensten Schulen kamen, nachdem 1661 Sac-
chi, 1670 Berrettini und die besten Caraccisten gestor-
ben waren, auf zwei zurück: die Cortonische wurde von
Ciro, die Sao chische von Maratta gefördert. Die erstere
erweiterte die Ideen, erleichterte aber die Nachlässigkeit; die
zweite schloss die Nachlässigkeit aus, beschränkte aber die
Ideen. Jede nahm etwas von der andern an, und nicht immer
das Beste: der gezierte Abstich gefiel einigen Marattisten,
und Maratta's Faltenwurf misfiel einigen Jüngern des Ciro
nicht 1). Die Schule der Cortonisten gewann den Vorzug
2) Hinsichtlich der Gewandung, muthmasst W512 ckelmann (Kunst.
gesch; T21. 1. S. 450), habe damals in Rom die verkehrte Ansieht
geherrscht, die Alten hätten ihre Figuren nicht zu bekleiden ver-
standen, und wären darin von den Neuern übertroffen werden.
Dies meinen einige Bildhauer noch immer und tadeln besonders den
allen Kunstgriff, die Gewänder feucht zu machen, um sie dem Naek-
ten mehr auzuscluuiegen. Das Allerlhümlichß will, sagen sie, geach-
tet, aber nicht vergöttert seyn; die Natur zu vervollkommnen, ist
immer erlaubt gewesen, sie zu vermanieriren, niemals. L.