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Drittes
Buch.
Schule.
Römische
reichsten und überdachtesten." Eine Landschaft von Poussin
oder Rosa iiberschaut man in kurzer Zeit von einem Ende
bis zum andern, wenn man sie mit einer von Cllaude, auch
von viel kleinerem Umfange vergleicht. Er bietet dem Be-
Sl3lliluEl' hundertcrlci Dinge, leitet sein Auge so viele Wasser-
und Landivege, zeigt, ihm so viel Sehenswiirdiges, dass er
Athcxn schöpfen muss, als ob er reiste; endlich lässt er ihn
eine solche Ferne von Bergen und Küsten erblicken, dass er
sich gleichsam Cflllllllßt fühlt. Die 'l'empelchen, welche die
Cumposition so schön nbriimlerx, die mit Seevögeln bevölkerten
Seen, die nach den Pflanzengnttungexi verschiedenen Bllltljgr-
artcn53), Alles ist bei ihm Natur; Alles hält den Kunstfreund
fest, belehrt den Künstler; vorzüglich wo er fleissiger gemalt
hatte, wie in den Palästen Altieri, Colonna und andern. Da
ist keine Lichtwirkung, die er nicht entweder im Widerschein
des Wassers, oder im Himmel selbst nachgeahmt hätte. Das
Wechselnde Taglicht sieht man bei keinem Landschafter besser,
als bei Claude. Mit einem Worte, er ist wirklich der Ma_
ler, der mit Darstellung der drei Reiche der Luft, der Erds
und des Wassers vermochte „ das Weltall ganz von Grund aus
zu beschreiben." Seine Lüfte haben fast immer das Gepräg des
Römischen Himmels, dessen Horizont vermöge der Lage warm,
dunstig und rüthlich ist. ln Figuren leistet er nichts, ie sind
albern und meistens übertrieben lang; daher er auch zu den
Käufern zu sagen pflegte, er verkaufe die Landschaften und
schenke die Figuren. Häufig liess er sie von Andern nlülen,
vorzüglich von Lauri 54). Ein gewisser Aingiolo, der jung
53) Zußeinem Studium malte er eine Landschaft mit mehrern An_
sichten von Villa Maüama, wo die mannichfaltigsten Bäume und
"Laubarten dargestellt" waren. Dies wnr sein Urbild für andere Ge_
miilde, da er auch Clemens IX, nicht verkaufen mochte, Wißwgl
dieser es ihm mit Gold aufwiegen wollte. L.
54) Dieser Maler der Natur, der mehr als irgend ein anderer den
Geist erkannte, der in der sogenannten leblosen Natur sich in Fan
_ ben und FOflllßll verkündet, und die heitern Rührungen , welche ein
offenes Gemiith in sanft freundlichen Gegenden empfängt, durch den
Schmelz zarter Pütrbexl und weiches Wlellenlinienspiel in seinen
Landschaftsgemälden anschaulich darzustellen und auf andere überzu-
tragen vermochte, ist von seinen Lebensbeschreiberxi zwar immer
für einen grossen Künstler anerkannt, aber sehr oft für einen alber-
nen Menschen, was wo! unvereinbar ist, ausgegeben worden, weil
Claudeä Schulmeister, die vielleicht selbst ungeschickt waren, ihn