478
Drittes
Buch.
Römische
Schule.
Leonardo da Vinci, ein nüchtern besonnener und
Ivähliger Maler, musste ihm wol gefallen; er verzierte sein
Werk über die Malerei mit Figuren, die er in seinem gewohn-
ten Geschmack zeichnete (Leti. pitt. T. II. p. 178). Ihm
folgte er in der Theorie, und ciferte er in der Bestimmtheit
nach. Von Tizian nahm er das Colorit zum lliuster; und
jiener Knabcnreigentanz, ehmals in der Villa Lodovisi, jetzt in
Madrid, lehrte ihm die bestgczeiehneten Kinder im besten G9-
schmaek malen, worin er so lieblich ist. Man sagt, er habe
gar bald sich auf das Culorit zulegen aufgehört, und seine
bestcolorirten Bilder seien die ersten in Rom gemalten. El-
fürchtete, diese Aengstlichkcit möchte ihn von dem gClStlgsiu_
nigen Theile der Malerei abziehen, wozu er sich besonders hin,
gezogen fühlte, und dem_ er seinen ganzen ernsten Flciss wid_
mete. Raffael war ihm Muster in Beseelung der Gestalten,
lWahrheit der Leidenschaften, Treffen des illittelpunetes der
Handlung, so dass man noch mehr ahndet, als man sieht, dass,
wer seine wohl und tief ausgesonncnen Zusammenstellungen
aber- und abermals betrachtet, immer auf neue Gedanken
kommt. Er trieb den Geschmack für dieses Sinnige in der
Malerei noch weiter, als Raffael, und malte gern Bilder,
die nichts als einen durch (lichterische Einhildungskraft eingß
schürftelrSittenspruch enthalten S0 stellte er in dem Q_
genannten Memento mori zu Versailles junge Hirten und ein
Mädchen am Grabe eines Arkadiers dar, wo die Inschrift zu 1e_
sen ist: auch ich war in Arkadien.
Hier hiitte nun ein scharfer durchdringender Geist ahne
Bekanntschaft mit guten, auch Lateinischen Schriftstellern, Um_
gang mit Gelehrten und Rath Gebildeter nicht ausgereicht 48h
Auf den Ritter Marini gab er viel, und konnte es allerdingg,
wo es nur nicht Italienischen Dichterstyl galt. Im Medelliren,
worin er hohe Treiilichkeit erreichte, übte er sich mit dem
Fiammingo; über die Perspective zog er ZüC0OliIli'g
Schriften zu Rathe; des Nackten wegen besuchte er Domeui-
47) Nie. Poussin ist siudirt unlf kalt. Q.
48) Klillgt dies nicht wie ein ironisches Lob? Denn sollte nicht
Alles in einem Bilde anschaulich seyn, ohne dass Beleselnlneil dem
Verständnis zu Hülfe kommen muss? Q-