Zweiter
Zeilraunr.
RaiTar-l
und
seine
Schule.
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und drittem Bange waren, Copien, und auch diese überging
zuweilen R., oder Giulio. bVer sich auf die Freiheit und
Weichheit versteht, mit welchen das Schulenhaupt malt, wird
dies nicht leicht mit einem Schüler, oder sogar mit Giulio
verwechseln, welcher nicht nur zaghafter den Pinsel führte,
sondern auch mehr Schwarz brauchte, al sein Meister pflegte.
Ich kannte einen Kenner, welcher sagte, man erkenne Giu-
lio an dem dunklen Fleisch und an den braunen, nicht so
bleifarbigen, noch so abgestuften Halbtinten, wie sie der Mei-
ster hat, an den hiiuligern Lichtern, den ründer gezeichneten
Augen, da Raffael sie, nach Pietro's Beispiele, vielmehr
etwas länglich zeichnete.
S0 heiter und glücklich begann die Römische Schule,
mehr von dem Orte, als von dem Volke so benannt. Viel-
mehr, wie auch das Volk selbst dieser Stadt ein Gemich von
vielen Sprachen und Stämmen ist, unter welchen Romulusn
Enkel gerade die wenigsten sind, so hat sich stets auch die
Malcrschulc durch Fremde bevölkert und ergänzt, welche sie
aufnahm, mit sich vereinigte, und in ihrer Lukasakademie
nicht ander, denn als geborne Römer, oder als solche betrach-
tete, die das alte Quiritenreeht genössm Daher denn die
vielfachen und so von einander abweichenden Behandlungsar-
ten, die wir im Verlaufe werden kennen lernen. Einige, wie
Caravaggiß, benützten "die Jllarmorbilrler und andere dem
Orte eigene Hülfsmittel gar nicht; diese waren eigentlich
mehr in der Römischen Schule mit inbegriffen, als aus ihr und
durch sie gebildet. Andere befolgten die Grundsätze der Schü-
ler RaffacPs; und sie pflegten gewöhnlich ihn und die alten
lllarmorbililur viel zu studiren. -Aus der Nachahmung Beider
entsteht nun, wenn ich nicht irre, der allgemeine Charakter
und, so zu sagen, der eigentliche Kern und Gehalt der Römi-
schen Schule. Gewohnt, Standbilder Lnd Basreliefs zu zeich-
nen und immer dergleichen Gegenstände vor Augen zu haben,
tragen die Jünglinge leicht diese Formen auf 'l'al'eln, oder
Leinwand über. lDaher hat ihre Zeichnung etwas Alterthüm-
liches, das Schöne mehr Ideales, als sonst. Dies war für die,
welche es zu nützen wussten, ein Vortheil, für Andere wieder
ein Nachtheil, weil es sie zu Figuren verleitete, die etwas-
Standbildliches hatten, die zwar schön, aber abgeschlossen und