Volltext: Geschichte der Malerei in Italien vom Wiederaufleben der Kunst bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts (Erster Band)

Zweiter 
Zeitraum. 
Raffael 
und 
seine 
Schule. 
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fleckenfrei ist, wie wenn er die Figur des heil. Petrug ausgef 
dem Gefängnis wiederholt, womit er die Einheit der Handlung 
_verletzt; oder wenn er Apollo und den Musen Tonwerkzeuge 
giebt, die dem Alterthum weniger eigen sind; aber rühmlich 
ist es an R., dass er in seinen Bildern unendlich viele seinen 
Vorgängern unhemerkte Beziehungen aufgefunden, seinen Nach- 
folgern aber nur noch wenige aufzuspüren gelassen. 
Auch in der Composition ist er Meister derer, die da 
wissen. ln jedem seiner Bilder bietet sich die Hauptfigur dem 
Besehauer von selbst; sie braucht nicht gesucht zu werden; 
die in den Raum vertheilten Gruppen werden durch die Haupt- 
handlung zusammengehalten; der Gegensatz wird nicht durch 
Ziererei und Gesuchtheit, sondern durch Vernunft und Wahr- 
heit bedingt. Oft hebt eine nachdenklich dastehende Figur 
die andere, welche sich bewegt undspricht. Die Massen des 
Vollen und Leeren, der Lichter und Schatten _sind nicht will- 
kürlich, sondern naturgemäss gegen einander abgewogen; alles 
ist Kunst, aber alles Gewandtheit und verborgene Kunst. Die 
Schule von Athen im Vatican ist in dieser Art: da Merk- 
würdigste, was die Welt hat. Die nach R a ff a e l nach 
andern Grundsätzen arbeiteten, haben das Auge mehr befrie- 
digt, aber nicht die Vernunft. Paolo Veronese hat xFign- 
ren und Verzierungen gemehrt, Lanfranco und die Mac- 
ch inisten haben Licht- und Schattenwirkungen, aufiiillendere 
Gegensätze der Theile eingeführt; wer aber möchte diesen Ge- 
schmack mit Raffaelss so geordneten: und edlem vertau- 
schen? Nur Poussin gelang es, nach Mengsens Urtheil, die 
Composition in den Gründen, oder in der Oekonomie des Bil- 
des zu verbessern; er meinte nämlich die Darstellung des 
Raums, wo die Handlung vorgeht, 
Dies ist kürzlich, was R. in so wenig Jahren für die Kunst 
gethan. Da ist kein Werk der Natur oder Kunst, woran er 
nicht thatsächlieh seinen uns von Federigo Zuccaro über- 
lieferten Grundsatz bethiitigt, dass man die Dinge malen müsse, 
nicht wie sie sind, sondern wie sie seyn sollen 69). Land- 
L 
69) Das klingt wie etwas, in! aber nicht viel gesagt; denn woher 
weiss Federign Zuccaro, wie die Dinge sind und wie sie seyu 
sollen?  Was ist, ist doch wo! auch, wie es Seyn muss, oder kann; 
denn die Freiheit liegt blosl im Wüllen, und nur von diesem kann 
Bb
	        
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