Zweiter
Zeitraum.
RaiTael
und
seine
Schule.
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behauptete Algarotti; man könnte ihm aber den dritten
Bogen des Vaticanischen Säulengangs dagegen anführen, wo
eine Säulenperspective ist, die, wie Taja sagt, von unten auf.
wärts geht. In grössern Werken zwar ersparte er sich der-
gleichen, und stellte sich, um nicht in Unnatur zu verfallen,
die Bilder wie auf einem Teppich vor, der an der Decke be-
festigt ist.
Alle bisher erwähnte Vorzüge aber Würden R. nicht so
berühmt gemacht haben, hätte er nicht was die Krone sei-
ner Verdienste ist eine wundersame Kraft gehabt, "Geschich-
ten und Erlebnisse zu ersinnen und anordnend zu vertheilen.
ln der Thatviibcrtraf er hierin Alles, was er Neues und Altes
gesehen, und ist von keinem Andern erreicht worden. In je-
dem Bilde thut er, was ein Redner thut: er belehrt, bewegt,
ergetzt. Das Erste ist für einen Erzähler leicht; er kann in
gehöriger Ordnung den ganzen Verlauf einer Sache darlegen.
Der Maler dagegen hat nur einen Moment, sich deutlich zu
machen; und sein Streben muss dahin gehen, nicht nur was
geschieht, sondern auch was geschehen soll und, was noch
schwieriger, was geschehen ist, begreiflich zu machen. Hier
nun ist R. uniibertreiilieh. Er treibt die Anschaulichkeit so
weit, als nur möglich. Unter tausend Umständen wählt er nur
die bedeutendsten; er stellt die Handelnden in den ausdruck-
vollsten Bewegungen auf; findet die eltensten Momente auf,
mit Wenig-cm viel zu sagen; hundert kleine Beziehungen, alle
zu einen; Begebnis verbunden, machen den ganzen Gegenstand
verständlich, ja handgreiflich. Mehrere Schriftsteller haben
diessfalls den heil. Paulus zu Lystra auf einem der Teppiche
im Vatican angeführt. Der Künstler, hat dort das jenem und
seinem Gefährten Barnabas, wie zwei Göttern, zubereitete
Opfer dargestellt, als er einem Lahmen den Gebrauch seiner
Beine wieder möglich gemacht. Altar, Priester, Opfer, Pfei-
fer, Opfermehl, Beile zeigen hinlänglich, was die Lystrenser zu
thun im Begriff sind. Paulus, der die Kleider zerreisst, genügt,
um deutlich einzusehen, dass er diese kirchenräuberisehe Ehre
ablehnt, sie verabscheut, dem Volke mit allem Nachdruck mis-
räth. Aber dies alles war nichts, wenn das gethane Wunder,
welches zu dem Ganzen Anlass gegeben hatte, nicht angegeben
wurde. Und so' stellte er denn leicht vor allen zu erblicken
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