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Drittes
Buch.
Römische
Schule.
Liebe und Bewunderung er so viele Jahre gewesen war. Doch
davon wird an einem andern Orte die Rede scyn. Hier sollen
einige Bemerkungen über seinen Styl beigebracht werden , wir,
ich sie aus mehrern Schriftstellern, besonders aus Mengs, ge-
sammelt, der ihn in den von mir bereits angeführten und an-
dem Werken zergliedert hat.
Es ist wol jetzt allgemein angenommen, dass Raffael
der Fürst seiner Kunst ist, nicht Iweil er in jedem Theile
derselben jeden Andern übertrifft, sondern weil kein Anderer
alles in dem Grade in sich vereinte, wie er. LazzarL-
ni bemerkt, dass er auch in Fehler verfiel; dessenungeneh-
tet ist er doch der Erte, weil er weniger, als Andere be-
ging; dennoch muss. man gestehen, dass seine Fehler an Au_
dernTugemlen sind, Weil e gewöhnlich nur Mängel an höherer
Vollkommenheit sind, die er erreichen konnte. Die Malerei um-
fasst so viele und so schwere Theile, dass durchaus Niemand
sich für den Höchsten in jedem ausgeben konnte. Selbst
Apelles stand demAmphion in Anordnung und Einklang, dem
Asklepiodorus in den Verhältnissen, dem Protogenes in
Fleisse nach. Plin. XXXV, 10.
RaffaePs Zeichnung auf jenen Blättern, welche jetzt
die Sammlungen schmücken und farblos, so zu sagen das
Bildnis seiner Einbildungskraft rein und schlicht wiedergeben,
welchedäestimmtheit der Umrisse bietet sie dar, welche An-
muth, welche Reinlichkeit, welchen Fleiss, welche Obmacht!
Eine der bcwundertsten, die sogenannte Verläumduxig des
Apclles 54), sah ich ehmals in der herzoglichen Gallerie zu
Modcna, vollendet und unschiitzbar. Sie verbindet die Errind-
samkeit des besten Griechischen mit der Ausführung des besten
ltalischen Malers. Man hat darüber streiten wollen, ob Raf-
fael dem Michelangelo in der Zeichnung nachstchle;
Mengs selbst giebt es zu hinsichtlich der Theorie der hing-
kein und des starken Charakters; aber darum darf man nicht,
wie Vasari, sagen, dass er, um zu zeigen, er verstehe das
54) Ein Stich in Helldunkel von Nie. Cocchin unü Nie. le
Sucur nach einer Zeichnung im Cnbinet, Cruzzn. sielll die Yerlaum-
dung dar, welche Rnffagl angeblich nach einem Gemälde von
A p el l es zeichnete. Q-