Zweiter
Zeitraum.
Baffael
und
seine
Schule.
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Gegenstände der Religion, Kriegsthaten, welche in der Welt
Frieden und Treue begründeten, vergangene Ereignisse, welche
den Ruhm zweier Päpste beleuchteten, erstens Julius, dann
Lec des X., des grössten Beschützers und feinsten Kenners
der Künste. Vcrtheilhafteres kann sich einem hchren Geiste
nichts bieten, sich zum Erhabenen aufzusehivingen. Augustus
zu besingen war eine Aufgabe für die Dichter seiner Zeit,
Welche darum Wunder der Dichtkunst hervorbrachte. Pro-
pertius, der nur das Haar, die Augen und den Zorn seiner
unglücklich geliebten Cynthia zu besingen gewohnt war, fühlte
einen ganz andern Dichtergeist in sich, als er Augustus und
seinen Sieg besang, und bat selbst Jupiter mit neuer Kühn-
heit, so lang Cäsar besungen würde, zu feiern (4, Und
gewiss erregen so grosse Aufgaben in einem ideenreichen Geiste
einen Aufruhr schon vorhandener sowol, als neuer Ideen, ru-
fen wunderbare, ungewohnte Gegenstände in ihm herauf, ban-
nen sie fest vor ihn hin, und vermögen ihn, sie so kräftig
und sichtlich wiederzugeben, wie er sie anschaut. So entsteht
in genialen DlClltCYll und Künstlern das Erhabene.
Bei seiner Ankunft, sagt Vasari, erhielt Raffael ein
Zimmer zu malen; es war das damals sogenannte Gerichts-
zimmer (della segnatura), von den Malern auch das der Wis-
senschaften genannt. An der Decke sind die (Theologie, die
Philosophie, die Poesie und die Rechtsgelehrsamkeit dargestellt.
Jede hat auf der ihr nächsten Antlitzseite eine grosse auf sie
bezügliche Begebenheit. An den Socken sind auch auf die-
selben Wlissenschaftcn bezügliche Vorfälle; und diese kleinem
Werke, und die hier und da vertheilten Karyatidcn und Tela-
monen sind Monoclzromc; ein Gedanke, der ganz Raffael ge-
hört, wie man sagt, von Polidoro da Caravaggio ausge-
führt. Er begann mit der Theologie, und ahmte Petrarea
nach, der wie in einem Gesicht Menschen Eines Standes, 0b-
wol aus verschiedenen Zeitaltern sah. Er versetzte dahin die
Evangelisten , in deren Büchern der Grund der Theologie ist;
die heiligen Lehrer, welche ihr die Uebcrlieferurlg darreichen;
die Theologen, den heil. 'l'homas, Bdnwentura, Scotusi und
Andere, die ihre Streitfragen abhandeln; höher die Drcieinig-
kcit unter den Seligcn, und darunter auf einem Altar die
Eucharistie, um gleichsam das Geheimnis dieser Wissenschaft-