Ueber
LanzPs
Kunstansicht.
XXXV
war auf den Begriff : Vollkommenheit, gegründet, und Voll-
kommenheit ist ein nur relativ zu bestimmender Begriff, denn
irgend etwas ist nur in Beziehung auf seinen Zweck oder seine
Brauchbarkeit vollkommen. Wozu nun noch die Verwechse-
lung der Begrilfe kam, dass das Einfachste auch das Vollkom-
menste sei, was doch nichts weiter sagen will, als: je weniger
zusammengesetzt ein Ding ist, um so leichter kann es vollstän-
dig seyn- was also hlos eine numerische Vollkommenheit zu
nennen wäre. Der zweite Fehler-war der schon früher er-
wähnte, dass M e n g s die Einheit zwischen Idee und Erschei-
nung nicht festhielt, und nicht blos als Kritiker unterschied,
sondern auch eine Verschiedenheit jeder an sich annahm. Aus
dem schwankenden und endlich gar numerisch verstandenen
Begriffe: Vollkommenheit, dessen sinnliche Erscheinung
Schönheit seyn sollte, entstand denn nothwendig vielmehr eine
Ungewissheit, als eine intellectuelle Gewissheit. Das sinnliche
Behagen, oder das innen wahrgenommene Entzücken, was
M e n g s Geschmack nennt, war das, woran das Schöne erkannt
werden sollte. Also anihrer Wirkung, nicht an ihren Eigen-
schaften, nicht in ihrem Wesen erkannte M e ng s die Schön-
heit, und musste daher zu empirischen Beispielen seine Zu-
flucht nehmen. Ein allgemein gültiger Beweis liess sich aber
für das Schöne daraus nicht ableiten; denn es gieht Leute, de.
nen nichtsmnd andere, denen sehr bedingtAngenehmes gefällt.
Als Beispiel des überaus Schönen (grado sublilne) S. 76
führt M e n g s den L a o k o o n und den T o r s o im Belvedere
zu Rom an; im zweiten Grade schön sei der Apoll von
Belvedere, und der B orghesische Fechter, und in
der Malerei seien R a ffa el wegen des Ausdrucks, C o r e g-
gi o wegen der Lieblichkeit, und Tizia n wegen der Wahr-
heit die Vorbildner der Schönheit.
Daher kommt denn auch bei L a nzi so oft vor, dass dies
oderjcnes Bild das zweite oder dritte schönste Gemälde an dem
einen oder andern Orte seyn soll, und dass Alles in Grade
und Abwägung zerfällt.
Daraus aber, dass Gott die Schönheit gleichsam nur als
ein Zeichen derVollkommenheit den Menschen gegeben habe
und doch immer noch etwas anderes sei, entstand die nachthei-
lige Folge, dass das Schöne immer nur als ein Willkürliches