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Zweites
Buch.
Die
Siener
Schule.
anderer lange von Barocci selbst Gebildeter, diesem seinem
Vorbilde sich genähert hat. Sehr gelobt wird in seiner Vater-
stadt diebVermühlung der heil. Katharina im Refugio mit ei-
ner Menge Engel; die Madonna unter mehrern Heiligen für
die Kirche der Monna Agnese; der heil. Raimondo, der auf
dem Meere wandelt, bei den Dominicanern, welchen Einige,
für das Beste in Siena halten, wo es häufig zu sehen ist. Zu
Pisa in der Primaskirehe zählt man unter die schönsten Bil-
der den Streit über das Sacrament, im Wetteifer vom Ritter
Ventura dem Bruder gemalt, der an diesem Engelaltar sieh
selbst übertroffen hatte. In der Umiltzi zu Pistoja, bei den
Camaldnlensern zu Fabriano, bei den Capueinern di S, Qui_
rico sind auch einige seiner ausgesuehtesteil Werke, und übel;
haupt auch anderwürts so viele, dass sie, glaube ich, nie vou_
ständig verzeichnet sind. ln den meisten folgt er, wie gesagt,
Barocci genau. Knnstlicbhaber verwechseln ihn in Kirchen
und Bildersammlungen oft mit Barocci, hauptsächlich durch
Colorit und die Kinderköpfe getäuscht, die von Einem Gepräg
cheinen. Wer jedoch Federigo genauer kennt, bemerkt
an ihm eine grossartigere Zeichnung und eine grössere Frei-
heit des Pinseln. Vanniw wohlfeile und unileissige Bilder,
wie deren Siena manche hat, möchte man schwer für die gei-
nigen halten.
Durch Muster und Unterricht Vanniis blieb in Siena
die Malerei lange in Ehren. Er führte viele Jünglinge dazu
an, die jedoch seinen Styl nicht, oder mindestens nur hart,
annehmen, weil sie sie sich, wie es zu gehen pflegt, nach dem
letzten Meister von Ruf wendeten, mithin die Mode nxitmach-
ten.. Beginnen wir mit seinen zwei Söhnen, denen er die in
der Kunst geehrtesten Namen gegeben hatte! Den erstgebor-
neu, Michelangiolo, haben wir schon als Erfinder des
Marmorfzirbens gelobt; ausserdem aber ward er nicht sehr
berühmt. Ich weiss nicht, dass er Siena verlassen, und
dort sieht man, ausser einer die Messe lesenden Katharina mit
dem Erlöser, die für die Olivetaner gemalt wurde, nicht viel
von ihm. Raffael, der zweite im dreizehnten Jahre ver-
waisete, ward dem Antonio Caracci empfohlen und machte
in dieser Schule solche Fortschritte, wie Man cini sagt, dass
er den Vater übertraf. Aber die Nachwelt sagt nicht so.