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Zweites
Buch.
Die
Siener
Schule.
dieser Kunst. Dies Geheimnis besass seit 1640 ein Siener
Maler, Niccolö Tornioli, der damit eine Veronica. malte,
dann den Marmor zersägen lies und zeigte, dass dasselbe Ge-
mälde auf den beiden Oberflächen des Schnittes seiß). Wahr-
scheinlich war dieser aus Vanni's Schule, und Michelan-
gelo sorgte durch seine Inschrift dafür, dass er den Ruhm der
Erlindung nicht sich anmasste; Der Zusammenhang forderte,
dass .ich diese beiden Künstler vor der Zeit nannte; sie gehö-
ren eigentlich in den dritten Zeitraum der Siencr Schule," zu
welchem ich unverzüglich übergebe.
Dritter
Zeitraum.
verfallenen Kunst
Söhne.
Aufrichtung der im Drangsal des Staats
durch Salimbeni und seine
.VVir haben die Fortschritte der Siener Schule und ihre vor-
züglichen Werke vom Anfang des sechzehnten Jahrhunderts
bis beinah an dessen Hälfte erzählt; einen Umstand jedoch ha-
ben wir nie erwogen, welcher den Werth der Künstler und
der Werke jener Zeit über die Massen erhöht. Gehen wir nüm-
lieh die Geschichte dieses halben Jahrhunderts nochmals durch,
so finden wir, dass jeder andere Ort in Italien von allgemei-
nem Unglück getroffen seufzete; keiner aber die bitterste Noth
so zusammengehäuft, oder so lange erduldete, als Siena. An
llungersnoth, Seuchen, Handelsperren litten andere Gebiete;
in Siena wütheten sie. Biirgeraufruhr und auswärtige Kriege
erschütterten andere Freistaaterl; diesem liessen sie Jahre lang
keine ruhige Stunde. Siena war gross durch die Tüzpferkeit
seiner Bürger, sonst klein, und somit jenen Meerbusen ähn-
lieh, wo die' Stürme häuiiger und heftiger sind, Ials auf grög-
sern Meeren. Die Zwingherrschaft der Petrucci, die Zwietracht
des Adels und des Volks, die Eifersucht fremder Mächte, welche
es zu erobern trachteten, hielten es unaufhörlich in Argwohn,
und oft unter Waffen und Kriegsunglück; und das Gegenmit-
Anm.
Botlarn":
Z Il
GullaccinPS Brief T. I. p. 308.
L.