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Ueber
Lanzfs
Kuustansich t.
schreibt, wie man sichtzum guten Künstler zu bilden habe,
indem man von den besten Künstlern das Beste nehme,
etwa, wie nach einer von Cicero nachgebeteten Kunst-
anekdote Zeuxis die schönsten Theile der schönsten Kro-
tonischen Mädchen zum Vorbild seiner Helena genommen
haben sollte, ging von Munde zu Munde, und viele folg-
ten diesem Rathe, ohne zu bedenken, dass doch eines je-
den Meisters Kunstcharakter ein solches innig einiges
Ganze ist, dass man nicht von dem Einen die Zeichnung,
und von dem Andern die Färbung annehmen kann, sondern
dass Farbe und Form in einem Bilde gegenseitig bedingt
und in der Einheit der Anschauung übereinstimmend ver-
bunden und Eins sind.
Dies war jedoch nichtdie einzige in Umlauf gesetztelrr-
lehre. Tausend gleich grund- und haltlose Meinungen Wur-
den kurz vor Lanzi, und zu seiner Zeit ausgesprochen;
und wer sich mit einigen der beliebtesten bekannt machen
will, kann solche in den Lett. pitlor. finden. Es sind Ver-
suche ohne Philosophie, ohne Principien zu philosophiren,
und wenn man gefragtwird, was man gelesen hat, so kann man
mit [Iamlet antworten: Worte, Worte, nichts als Worte!
Der Bar. v. Rumoltr hat im ersten Tlteile seiner Ita-
lienischen Ibrscletelzgen mehrere dieser Kunstmeinungen be-
leuchtet und widerlegt, und wiirde sich dadurch allerdings
ein Verdienst erworben haben, wenn er nur nicht Wieder die-
sen bestrittenen Meinungen die Ehre, den Philosophen und
der Philosophie selbst aber die Schmach arigethan hätte, jenes
schriftliche Kunstgeschwätz der Lellerepilloriclze und dem
Aehnliches, für Kunstansichten derPhilosophen auszugeben.
Denn als Bodensatz lagen diesen Meinungen doch die
Schriften von Jllonsieur d e Pi l es zu Grunde, der die selt-
samsten Behauptungen aufgelesen und mit einem Schein von
Wichtigkeit vorgetragen hatte. D e Pi l es nämlich fordert
von der Malerei Wahrheit und Wirkung, was freilich recht
verständig klingt, nur dass er unter Wahrheit bloss bis
zur Täuschung getriebene Nachahmung des Wirklichen,
unter vrai ideal nur Nachbildung des Auserlesenen, und
unter Wirkung bloss Üeberraschung beim Anblick eines
Cenxäldes und Unterhaltung des Beschauers versteht, dies