Vinci ,
Buonarroti
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hirulllßl trügen; dies reiche und gut erfundene Prachtstück,
welches er gern auch in Zimmergemälden anbrachte. Aus. die-
ser Anordnung tritt er heraus in einem Bilde, welches er zu
S. Romano in Lucca hinterliess, der sogenannten Madonna
dellß lllisericordia, welche in holdseliger Gebärde unter einer
Schaar Andächtigcr sitzt, und sie unter ihrem Mantel vor
dem Zorne des Himmels schützt. Zu zwei andern Bildern ga-
ben seine Ncbenbuhler Anlass, welche er, nach Art grosser
Männer, mit classischen Werken schlug, die dem Neide im-
mer herber sind, als die herbste Entgegnung. Sie hatten ihn
nämlich als ganz ungeschickt zu Darstellung in grossen Ver-
hältnissen verschrieen; da malte er auf ein grosses Blatt nur
die einzige Figur des H. Marcus; ein Bild, das in der fürstl.
Gallerie für ein Wunder der Kunst angesprochen wird, wovon
ein gebildeter Fremder sagte, es komme ihm wie eine zum Ge-
mälde gewordene grosse Griechische Statue vor. So wurde er
auch als unkundig des menschlichen Körpers verhöhnt; und
um diese Spötter der Lüge zu strafen, stellte er auf einem
andern Bilde den H. Sebastian so nackt dar, wie die Maler
pflegen, in Zeichnung und Colorit so vollendet, dass er un-
endliches Lob von den Künstlern ärntete, ausser dass er von
den Nonnen allznsehr bewundert, und von den Mönchen dess-
halb erst an einen hesondern Ort gebracht, dann aber nach
Frankreich verkauft und geschafft wurde.
Kurz, inijedcm Theile der Malerei war er gross, wenn
e; wollte, Seine Zeichnung ist höchst schulgerecht .und rein,
in jugendlichen Gesichtern oft fleischiger und voller, als bei
Raffael, nach AlgarottVs Bemerkung Wenig erhoben in
dem Schwerpuncte gemeiner Figuren, beinah plump. In den
Tinten war er einmal in das Dunkle, Druckerschwarzähnliche,
Mohrartigc, wie Vasari sagt, gerathen, und dadurch haben
einige Gemälde von ihm sehr gelitten; aber allmülig verbes-
serte er auch dies und konnte, wie gesagt, Rßffüßl 111m Mu-
ster dienen. Im Auftragen und Vertreiben der Farbe gieht er
den besten Lombarden nichts nachl [Auch im Faltenwurf ist
er Eriinder; ran ihm haben dieübrigen jene Gliedcrpuppe
oder das Holzmodcll brauchen gelernt, welches in den Gelen-
ken lose ist und gar wunderbar zum Studium der Falten dient;
auch hat keiner aus seiner Schule sie mannichfaltiger, natür-