XVI
Vorwort.
mehr Ausdehnung als Zusammenziehung sich aus-
sprechen. Folgerichtig wird auch das Maas und
die Ausgleichung der Gegensätze zurückbleiben.
Die Farbe wird, als ein noch nicht nach meh-
rern Seiten hin thätig gewordenes Licht, matt
und eintönig seyn. Mit Einem Worte, es ist das
erwachende, strebende, noch nicht in sich zurück-
gebogene und beschlossene Leben der Seele, ur-
sprünglich, wahrhaft, treu, kräftig aber beschränkt,
und bedeutsam vorzüglich in Gesichtern und Kü-
pfen fleissig ausgesprochen.
Nun, in der letzten Hälfte des funfzehnten
Jahrhunderts, stand in Lionardo da Vinci ein
wundersam reichbegabter, sinniger und ernstfor-
sehender Geist auf, dem die Natur selbst den Stem-
Pel einer seltenen Harmonie der Kräfte aufgeprägt
hatte. Mit leichter und sehmeidiger Islinneigung
zu jener naiven gemiithlichen Einfalt verband er,
einen unermüdlich forschenden, nach allen Seiten
hin sich kräftig und eindringlich verbreitenden
und Alles gewältigenden, gleich bildsalnen, wie
bildenden, seine Gebilde ausscr sich hinstellenden
Geist. In ihm, kann man _wohl sagen, brach zu-
erst kenntlieher und anschaulicher das reflexive,
kritische Moment der Kunst durch und hervor,
nur aber noch (nicht schroff besondert, vielmehr
gemässigt und in Gleichgewicht gehalten durch die
ihm inwohnende geniale Urkraft. Scharfer schon
gespannt-Waren diese Elemente in (16111 Starren,
stolzen, finstern und herben, 23 Jahre später ge-
borenen Michelangelo Buonarroti, der mit