192
Florentiner
Schule.
Zweiter
Zeitraum.
Propheten und Sibyllen 40), deren Styl Lomazzo, ein unpar-
teisamer Richter, weil aus einer andern Schule, für den besten
in der ganzen Welt hält In der That künden darin auch
die Würde der Gesichter, die trügen, schweren und ernsten
Augen, ein ungewöhnlicher und seltsamer Wurf der Gewänder, ihr
Stand und ihre Bewegung selbst Leute an, zu welchen, oder durch
deren Mund Gott spricht. Am meisten bewundert Vasari
unter ihnen den Jesaias, der, „ganz versunken in seine Ge-
danken, eineHand im Buche haltend, zu Bezeichnung der ge-
lesenen Stelle, den andern Arm mit dem Ellenbogen auf das
Buch gelegt hat, und, die Wange auf die Hand gelehnt, von
einem der Knaben hinter ihm angerufen, nur dcn Kopf dreht,
ohne sich im übrigen zu verwenden eine Figur, irelchc
allein, gehörig studirt, alle Regeln eines guten Malers reichlich
lehren kann." Gleich kunstreich sind die bVeltschölwfung, die
Sündlluth, Judith, und die andern an dem grossen Gewölbe
vertheilten. Alles ist lllannichfaltigkeitund grossnrtig seltsam
ersonnen in Gewändern, Verkürzungen, Gebärden, Alles neu
in Zusammensetzung und Zeichnung. Wer Sandra's und
seiner Mitmaler Bilder an den Wänden betrachtet und dann
den Blick zur Decke hebt, der sieht Mich clangclo gleich
einem Adler ob den Andern schweben, und kann nicht glau-
ben, dass ein in dieser Malerei Ungeübter gleichsam in seiner
ersten Arbeit die besten Alten so weit übertreffen, und den
Neuem so einen ganz andern Weg verzeichnen konnte.
Unter den nächstfolgenden Päpsten beschäftigte sich M i-
chelängelo immer mit Bild- und Bauwerken, fast nie mit
Malerei, bis Paul lll. ihn wieder vermochte, den Pinsel zu
ergreifen. Clemens VIl. war auf den Gedanken gekommen,
ihn in der Sistina zwei andere grosse Bilder malen zu lassen,
über der Thiir nämlich den Fall der Engel, und gegenüber
über dem Altar das Weltgericht. Michelangelo hatte Stu-
dien zum Gericht gemacht und Paul llI., der dies- wusste,
L
40) Diese Sibyilen und Propheten sind von Volpnlo schön, aber
nicht Ilßch treuen Zeichnungen gestochen. Geqrg Ghisi hat sechs
von diesen Sibylien und IH-opheten ebenfalls sehr frei in seinen Ku_
pfersticlnen behandelt, weiche er 1540 gestochen hat. P. G. Tal. 15_
p. 393. N0. 17 bis 22. Q.
41) Irieu de! tempin della pittura. p. 47. rd. Hrßlagn. L.