Flßrentiner
Schule.
Zeitraum.
Abschnitt.
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der Vvlahrheit nahe gekommen war, besonders in den Köpfen,
welchen man eine auch jetzt noch überraschende Lebendigkeit
gab. Betrachtet man die Figuren und Bildnisse jener Zeit,
svscheinen sie den Beschauer wirklich anzusehen und mit
ihm sprechen zu wollen. Nun blieb aber noch die Aufgabe
vorbehalten, den Formen ldealschönheit zu geben, der Zeich-
nung Fülle, dem Colorit Einklang, der Luftperspective richtige
Methode, der Zusammenstellung lllannichfaltigkeit, und dem
Pinsel, der doch noch in allen schwerfüllig schien, Gewandtheit.
Diese Verbesserung herbeizuführen, vereinigten sich in Florenz
und an andern Orten alle Umstände. Erwacht war unter uns
der Geschmack an grossen Gebäuden. Viele der schönsten
Tempel Italiens, viele ölfentliche und herzogliche Paläste, die
noch in Mailand, Mantua, Venedig, Urbino, Rimini, .Pesaro,
Ferrara zu sehen sind, entstanden um diese Zeit; andere Ge-
bäude in Florenz und Rom nicht zu erwähnen, wo Pracht
mit Zierlichkeit wetteifert. Diese mussten verziert werden,
und so musste wol unter den Künstlern jener edle Wetteifer
entstehen, jene grosse Gäbrung der Begriffe, welche die Kunst
so sehr fördert. Das dem Studium der Malerei so verwandte
der Poesie nahm so zu, dass man dies ganze Jahrhundert das
goldene nennen konnte; ein Name, den es gewiss nicht durch
andere strengere Studien verdient Die Zeichnung jener Meister
war, obwol etwas trocken, doch rein und correct, Wund somit
das beste Erziehnngsmittel für das folgende Jahrhundert. Es ist
eine sehr wahre Beobachtung, dass Schüler den schwiichlichen
Umrissen ihrer Vorbilder eher etwas Markiges verleihen, als
sehwerfälligen Umrissen das Ueberflüssige benehmen. Daher
haben einige Künstler geglaubt, es möchte wol besser seyn,
die Jünglinge gleich anfangs an jene Bestimmtheit des 14. Jahr-
hunderts zu gewöhnen, als an die in spätern Zeiten einge-
führte Ueherschwänkliehkeit. Unter diesen Umständen ent-
stand denn die glückliche Zeit, welche die Jahrbüchcr der Ma-
lerei auszeichnet. Damals waren die Italienischen Schulen,
welche durch wechselseitige Nachahmung einander ähnelten,
zur Reife gelangt, und nahmen nun jede einen entschiede-
nen und eigenen Charakter an. Den Charakter der Florenti-
nischcn werde ich im folgenden Zeitraume schildern; zuvor
aber will ich von andern mit der Malerei verwandten Künsten,